Sinnsprüche

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1976, ich war noch keine elf Jahre alt, musste ich mitten im Schuljahr nicht nur das Gymnasium, sondern auch gleich die Stadt und das Bundesland wechseln. Vom fröhlichen Niederrhein in das rustikale Klein- und Mittelzentrum Bad Kreuznach im Agrarkleinstaat Rheinland-Pfalz. Die Leute an der Nahe haben vielleicht nicht immer eine Sicht auf die Dinge, die sich mit dem Außen synchronisieren ließe, ungastfreundlich sind sie jedenfalls nicht. Und so wurde ich als Neuer erst einmal hier und da eingeladen, durchgereicht, und von den Elternhäusern aufmerksam auf Kontaktfähigkeit inspiziert. Ich war offen für frische Perspektiven, hatte zu viel Zeit und ließ mich neugierig treiben. Eines Tages saß ich bei Familie E. am Mittagstisch. Ich will nicht unhöflich sein, aber den Vater nicht als patriarchalisches Arschloch zu bezeichnen, käme der Wahrheit so nah, wie Michael Schumacher die Fähigkeit abzusprechen, ein Rennauto sachkundig zu bewegen. Ihn kotzten schon meine langen Haare an, die ich damals tatsächlich noch hatte und meine präpubertären Frechheiten im Zitieren von Ton, Steine Scherbens „ich will nicht werden was mein Alter ist“. Seine Kernschmelze aber setzte endgültig ein, als ich mich über die hölzernen Sinntafeln lustig machte, die seine ganze Wohnung zierten und an die ich mich heute für meine Sammlung „rund ums deutsche Heim“ - „Augengold“ - erinnern mag. Es ist wohl überflüssig zu erwähnen, dass der Kontakt recht bald abriss.

Bruno SchulzComment