Lebensgefahr.

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Ich lese den Tweet von Sibel Schick, den diese nur wenige Tage nach Wien und Würzburg veröffentlicht hat und frage mich, wie man als superprivilegierte und medial topvernetzte Frau mit Abschlüssen in ihren Wunschstudienfächern, bei freier Berufswahl, repressionsloser Meinungs- und Veröffentlichungsfreiheit in allen politischen und gesellschaftlichen Themen, sowie vermutlich wirtschaftlich unabhängig halbwegs solide aufgestellt in eine solche Tunnelperspektive geraten kann.

Ja, sie hat natürlich in manchem Punkt recht: es ist gefährlich für Frauen und das ist schrecklich. Es ist lebensgefährlich für Frauen unabhängig ihrer Hautfarbe und ihrer Herkunft. Und ja, das Problem ist auch in Deutschland nicht neu und bestimmt nicht mit dem Zuzug von Migranten entstanden. Aber wenn sie schon unbedingt und bewusst in Hautfarben und Herkunft spalten will, könnte sie die halbwegs seriösen Statistiken des BKA als belastbares Zahlenmaterial hinzuziehen und würde daraus leicht destillieren, dass es um ein vielfaches wahrscheinlicher ist, dass ihr eben nicht die weisse Gesellschaft den seidenen Faden abschneiden wird.

Es ist vielmehr die hiesige Gesellschaft, die ihr bei allen Fehlern und Gefahren die Chancen geboten hat, die sie fleissig zu nutzen wusste. Die Gesellschaft, die diese Debatte ermöglicht und diese Gesellschaft, die vielen Menschen Zuflucht bot und bietet, die die Freiheiten einer pluralistischen Demokratie suchten und suchen. Bei allen Risiken, die hier zu lauern scheinen.

Im Gegensatz zu vielen Antwortenden in ihrem Thread, werde ich ganz sicher keinen Shitholecountry-whataboutism ausbreiten und auch nur einmal an dieser Stelle auf den Antisemitismus hinweisen, den ihre Community hier frisch aufgießt. Wie kommt man eigentlich als vermeintlich Schutzsuchender und Schutzeinklagender auf die Idee, genau diesen Schutz anderen zu versagen? Oder genau das regelmäßig zu relativieren?

Wie kommt man auf die Idee, die Opfer von Übergriffen unterschiedlich zu bewerten und während man die einen ikonisiert, die anderen auszuschweigen pflegt und noch verhöhnt, indem man wieder und wieder Täter und Opfer umkehrt.

Inzwischen meine ich, ein wenig rühmliches Businessmodell zu erkennen, das sie in ihrem einschlägig bekannten gedanklichen Umfeld regelmäßig dröhnend befeuert und das auf Gedeih und Verderb funktionieren muss, da die Protagonisten in anderem Sujet nicht reüssieren werden, weil sie das exklusiv verinnerlicht haben und sich ausschließlich um sich selbst drehen. Unterstützt von einer identitätsneurotischen Linken, die es selbstgerecht genießt, dieses Treiben noch mit Brandbeschleunigern zu beschicken, ohne sich selbst jemals ins Risiko zu begeben. Auch eine Form von Rassismus und postkolonialem Dünkel.

Die Gesellschaftsspalterei ist wenig zielführend. Schade.

Bruno SchulzComment