Neues aus Phantasialand

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Marie Stadler von der Barbara ist nicht aufs Land gezogen, sondern in ihren biederen Häuschentraum auf dem Wüstenrothandtuch eines Neubauviertels in einem Schlafdorf. Alle ihre Nachbarn sind jene unterprivilegierten, unaufhörlich fossile Brennstoffe kaputtpendelnden Wohlstandsnomaden, die sich mit ihren aus der Zeit gefallenen Einfamilienhaustempelchen die fast religiöse Illusion eines vermeintlichen Mittelstanddaseins erhalten wollen. Sie hat das Land nie gesucht und darum auch nie gefunden. Ihr ging es um Bau-Land. Bezahlbares. Das Ergebnis ist das Leben in einer künstlichen Freizeitparkkulisse. Da wird „Land“ auf Baumarktniveau nur imitiert und nie erreicht. So wie Disneyworld nicht Neuschwanstein wird und da ist ja sogar das Original schon Schei*e.

Woher ich das alles weiß? Nun, ich habe „auf dem“ Dorf gelebt mit damals 271 Einwohnern. Abseits größerer Straßen und metropolenverknüpfenden Achsen und Trassen In einem Bauerngehöft von 1772 mit wildromantischem Garten, das ich mühevoll bis auf die Knochern hergerichtet habe, um nach zehn Jahren geschieden wieder auszuziehen. Ein paar Ortschaften weiter begannen die Neubaugebiete wie aus dem Artikel und beide Welten haben nichts, aber auch rein gar nichts gemein. Heute wohne ich Altbau am Park. Traumschön. Nicht Alster, denn die geht jetzt nicht mehr, die habe ich auf dem Land „zurückgelassen“. Um die Ecke habe ich meine Agentur in einem Loft untergebbracht. Die alte, aufgemöbelte Fabriketage in Backstein. Ein Stereotyp wie aus dem Bilderbuch. „Wenn ich schon nicht nach New York komme, hole ich eben Manhattan an die Nahe“, habe ich mir so gedacht. Und siehe da, die Mitte ist ein lebenswerter Ort und viel mehr als nur ein Kompromiss.

Guten Morgen.

Bruno SchulzComment