bye bye Olympia

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Mein Freund, der Jörg konstatierte soeben sozialmedial coram publico, dass er diesmal zum ersten Mal von Olympia nichts mitbekommen habe, vielleicht bis auf die eine oder andere Highlightzusammenfassung hier und da, abends am digitalen Lagerfeuer.

Stimmt Jörg, so ging es mir auch und nicht einmal das. Bis vor zehn Tagen habe ich mit meinem Partner Markus und unserem sehr lebendigen Team Wochen und Monate quasi rund um die Uhr und zurück gearbeitet, ständig unter Strom und voller Ideen, um Corona und dessen Folgen wirksame Werkzeuge entgegenzusetzen. Für unsere Agentur schulzundtebbe (www.schulzundtebbe.de), aber vor allem auch für andere Unternehmen. Wir haben sogar Fördermittel liegenlassen, weil deren schleppende Beamtenbearbeitung oder besser -behinderung dringende Handlung auf das Zäheste ausgebremst hätten. Fazit: Wir haben überlebt mit guten Perspektiven. Nicht wegen, sondern trotzdem. Vorerst. Das gilt auch für unsere Kunden. Nur das zählt im Augenblick.

Jetzt sitze ich hier im selten so gefühlt wohlverdienten Urlaub in Nordjütland vor meinem ersten Kaffee des Tages aus der Frenchpress, so wie ich es morgens liebe, ein Ritual, und schaue auf die ruhige See, das Dünengras in sanfter Bewegung und ein paar müde Wolken, die sich träge über den weiten Himmel schleppen und lese Deinen Post in meinem Newsstream.

Olympia? Nein, ich werde an dieser Stelle schon wegen des Austragungsortes die aufgesetzt und immer „cool“ vorzutragende „Sack Reis“-Analogie nicht bemühen, die neben der albernen Neiddebatte und den ewig peinlichen whataboutisms die dritte unscharfe Klinge zahlreicher, eingeschränkt argumentierenden Social-Media-Diskutanten zu sein scheint.

Ich habe tatsächlich fast gar nichts mitbekommen von dem gut gehüteten Spektakel, außer vielleicht, dass nach Volkes Wahrnehmung die deutsche Marine als Achter und die Kavallerie durch die ewige Isabell Werth, immerhin nach einer weiteren deutschen Amazone, „nur“ mit Silber statt des zu erwartenden „Goldes“ - ob mit oder ohne Eichenlaub - wohl ziemlich gepatzt haben wie einst General Paulus in Stalingrad und dass wir nicht zuletzt von daher schon mal „olympisch gesehen“ nicht mehr zu den G8 gezählt werden dürfen.

Vielleicht waren da auch noch die antisemitischen Ausfälle orientalischer Kampfsportler aus dem Maghreb, die inakzeptablen, lauthals vorgetragenen Sodomievorwürfe durch den frustrierten deutschen Radeltrainer und die Nummer mit der belarussischen Leichtathletin, die lieber nicht mehr zurück zu Onkel Luka an den Katzentisch mochte. Verständlicherweise. Hm. Live ist das bei mir alles durchgerauscht und erst im Nachgang jeweils kurz aufgeblitzt und manches auch erst jetzt. Mit Sport hatte das meiste ohnehin nichts zu tun und erstrecht nicht mit „sportlich“.

Da fügte sich dann der Vorfall im modernen Fünfkampf wunderbar ein, bei dem sich der androhende Verlust einer potenziellen Goldmedaille zum Prügelreflex auswuchs und die Sportlerin Annika Schleu, den ehrlosen Ausklang ihrer Karriere vor Augen, angefeuert durch ihre rustikalempathische Übungsleiterin den Verlust ihrer Impulskontrolle mit einem wütenden Trommelsolo auf dem unheiligen Problemzossen „Saint Boy“ austobte, wie es die Drummerlegende John Bonham in seinen besten Tagen an den Fellen von Led Zeppelin kaum intensiver hätte präsentieren können.

Mit der crossmedialen Ausstrahlung ihres Furors war der nachfolgende Entrüstungstsunami unausweichlich. Nur selten konnte man in den vergangenen Monaten einen derartigen Gemeinsinn in der deutschen Bevölkerung erleben. Zuletzt vielleicht während des Sommermärchens 2006 oder in Rio 2014, als „wir“ den Sambaboys noch zeigen konnten, wo der wahre Hammer hängt. Das hatte auch mit Sport zu tun und man durfte wieder deutsche Farben zeigen, ohne ständig mahnende Zeigefinger befürchten zu müssen. Immerhin war die Stimmung locker und positiv. Sieger feiern ist leicht.

Danach ging es für Brigitte und Frank Mustermann und ihre Freunde gefühlt mit allem, aber wirklich allem den Bach runter. Deutschland schaffte sich vermeintlich ab. Also hat man eben ein neues Feld für das emotionale Gruppenerlebnis aufgetan: die kompetenzenunabhängige Empörungsraserei, digitale Neandertaler nennen es Shitstorm, was ein ausgemachter, wichtigtuerischer Quark ist, denn nicht jeder Furz ist gleich ein Orkan. Das tat und tut der geschundenen Volksseele gut nach den empfundenen Dekaden des Eingefritzeltseins durch Covid-19 und seine Varianten. Und durch Merkel, natürlich. Plötzlich war Deutschland nicht mehr das Land der Fußball-, Virus- und Autoexperten, sondern bewies unisono Haltung durch soziale Kompetenz in Sachen Tierwohl. Natürlich absolut streichwurstunabhängig. Für die gute Sache geht es gleich nochmal so gut zu ebendieser. Sehr viel Meinung, wenig Ahnung. Wie immer. Eigentlich.

Und wie war das jetzt mit Olympia? Ich habe eigentlich nichts davon mitbekommen, bis auf die Folgen, die mich auf das Ereignis zurückwarfen. Oder eben gerade nicht und nur darauf aufmerksam machten. Außerdem war da ja noch die Ahr, die Ausrutscher von Baerbock, Laschet und Co. oder der Spinner von der AfD, der den Jetstream in der Protosphäre durch die Windräder in den deutschen Auen und Gauen gefährdet sah.

Aber so ist es ja heute bei vielen Dingen, der Fokus liegt auf der Wirkung, nicht der Ursache. Vielleicht war dieses Olympia tatsächlich ein Signal zu Besinnung. Auf das, was wirklich wichtig ist und wie wir künftig damit umgehen sollten.

Bruno SchulzComment