Karl May nervt!

Ist der ganze Trubel um Karl May gerechtfertigt? Hm. Nachdem in den letzten Tagen jede Menge über sein Oeuvre und seine Person nach wokualisierter Rezeption und deren Kontrapositionen durch alle Kanäle rauschte, will ich versuchen, meine subjektive Perspektive aufzuschreiben.

ehrliche Anmerkung: Ich fand Karl May schon als Kind Sche1ße. Als ich acht oder neun Jahre alt war, schenkte mir eine Tante das Hörspiel vom „Schatz im Silbersee“ auf Vinyl. Eigentlich hatte ich mir das Album „Talking Books“ von Stevie Wonder gewünscht, das ich regelmäßig mit meinem dänischen Kindermädchen Hanne hörte, bis es einen schrecklichen Bandsalat gab. Die Enttäuschung war riesengroß.

Jedes Volk hat die Schriftsteller, die es verdient. „Goethe, Schiller, Lessing …?“ Ach Quatsch, die zieren allenfalls dekorativ die dahinschrumpfenden heimischen Regalflächen in ihrer lange verlorenen Selbstbehauptungschlacht gegen die zum Autokinoformat gediehenen digitalen Lagerfeuer. Allenfalls zu Schulzeiten gelesen. Wenn überhaupt.

Deutschland ist das Land der Fußballtrainer, der Epidemiologen, Energieexperten, Schlachtfeldstrategen und Islamwissenschaftler. Und genau darum lieben sie hier auch ihren Karl May. Ein Kerl wie sie. Der hatte auch keine Ahnung, aber davon jede Menge und pflegte, um Bertolt Brecht aufzugreifen, einen recht entspannten Umgang mit fremdem geistigem Eigentum, das er zu eigenen Welten deformierte.

Karl May hatte selbst zumindest in späten Jahren einen ziemlich klaren Blick auf die eigene Leistung: „Schreiben wir nicht wie die Langweiligen, die man nicht liest, sondern schreiben wir wie die Schundschriftsteller, die es verstehen, Hunderttausende und Millionen Abonnenten zu machen. Aber unsere Sujets sollen edel sein, so edel, wie unsere Zwecke und Ziele.“ Vielleicht sowas wie die BILD, nur mit vermeintlich lauteren Absichten.

Sein Stil? Unlesbar. Die Figuren banal. Die Stories hölzern. Ein Schema „F“ im Dienste der Erwartbarkeit, alle Mittel zügelloser Reproduktion. Viele Regalmeter dokumentierter Graphorrhoe, eine Kritzelsucht als Exposition pathologischen Selbstaufblasens.

Auch die Filme dazu sind cineastischer Kernschrott. Ein gefönter Franzose ritt 1962 durch die pittoresken Naturparks in Titos Jugoslawien und machte als edler Wilder mit seiner kleinbürgerkompatibel verhaltenen Exotik Brigitte Mustermann untenrum ganz wuschig, während sich Gatte Frank mit dem Abenteuersachbeabeiter und mimikfreien Darstellungsautomaten Lex Barker identifizieren konnte oder auf Uschi Glas abfuhr.

Worum es bei den Schmonzetten wirklich ging und geht, verdichtete die Halbblut-Appanatschi-Darstellerin und damit ausgewiesen Indianistikwissenschaftlerin soeben sachkundig als von der Merkur TZ Redaktions GmbH berufene Expertin wie folgt:

„In den Filmen und den Romanen gibt es Gute und Böse. Sie haben weiße oder rote Haut. Es bildet das echte Leben ab. Man soll doch aufhören, hier auf Biegen und Brechen einen Anlass zu finden, über etwas zu schimpfen.“ Auweia.

Und ist das jetzt alles tatsächlich kulturelle Appropriation? Um Himmels Willen nein. Dazu hätte sich der Autor ja einer Quelle bemächtigen müssen, die er gar nicht suchte. Im Prinzip hätte Winnetou auch Helmut heissen können oder Miroslav. Wer, wann, wo, alles egal.

Und jetzt? Karl May und sein Werk sind mir jetzt gerade kaum mehr als ein peinliches Stellvertreterschlachtfeld, auf dem sich die erwachsenen Protagonisten nicht entblöden mögen, sich metapopulistisch als Anhänger zu outen oder einen kaum belegbaren Rassismus herauszustellen. Beides wirkt auf mich superidiotisch. Kein Wunder, dass sich da auch wieder ein Friedrich Merz zuschalten muss.

Kann weg.

PS: Karl May lebt noch immer! Inzwischen unter dem Pseudonym Jürgen Hodentöter.

Bruno SchulzComment