Warum denn schlechtmachen?

Soeben lese ich im "Standard" einen Artikel über "Naturwein" des freien Fotografen Georges Desrues. Der Franzose ist so mehr oder weniger mein Jahrgang, lebt seit fünfzehn Jahren in Triest und seine Spezialgebiete sind Reisen, Essen und Trinken sowie Landwirtschaft. Das ist eine ganze Menge. Ich habe seine Vita nachgelesen, weil ich immer eine Idee haben möchte von den Personen und Persönlichkeiten, die sich mit den Themen befassen, die mich auch gerade interessieren. Denn ich bemühe mich, die Aussagen einzuordnen. Als ambitionierter Laie, der ich bin.

Der Titel lautet "Naturwein: Natürlich fehlerhaft". Und er liest sich, als stamme er aus dem Jahr 2015. Allerspätestens. Desrues vermeidet Rösser und Reiter zu benennen und ergeht sich lieber in der Bestätigung müder Stereotypen, die zumindest im Umfed der Szene schon ein paar Jahre kaum noch Bestand haben sollten.

Wer sich bei den typischen Veranstaltungen im Sujet mal durchgesüffelt hat - ob in Deutschland auf der RAW WINE zu Berlin oder dem Weinsalon Natürel zu Köln - weiß, dass jede Menge Entwicklung stattgefunden hat. Die Dinge sind im Fluß. Der Markt bewegt sich. Langsam aber immerhin. Natürlich gibt es fehlerhafte Ergebnisse. Aber um solche aufzuspüren, muss ich auch im Mainstream nicht allzu lange suchen. Nur finde ich die dort nur noch umso erstaunlicher, weil doch alle Möglichkeiten zur radikalen Schönung zur Verfügung stehen und auch schmerzfrei genutzt werden.

Kein Mensch muss trinken, was ihm nicht schmeckt. Wenn's Mist ist, geht's zurück. Ansonsten folge ich gerne der Empfehlung eines befreundeten Winzers vom Mittelrhein, der mich vor einiger Zeit auf seine Philosophie der "Lebenstrinkleistung" aufmerksam machte. Die sei endlich und damit hat er ganz sicher recht. Meine Zielgerade möchte ich jedenfalls nicht im Einerlei önologischer Langeweile vertun, auch nicht auf dem vermeintlich hohen Parker-Suckling-sonstwas-Marketing-Level, sondern gerne Vordenkern reservieren die spannende Ideen verfolgen und darin gerne auch mal daneben liegen dürfen.

Derzeit trinke ich mich "in achtzig Gläsern um die Welt" und befinde mich auf dem Sprung zwischen der libanesischen Sept Winery aus Höhenlagen über tausend Metern, den beiden bulgarischen Öno-Athleten Petar Georgiev und Radostin Milkov, die sich mit dem biodynamischen Ausbau autochthoner Sorten wie dem Mavrud beschäftigen und dem australischen Ausnahmeweingut Ochota Barrels unweit von Adelaide, nachdem ich mich eine Weile begeistert im Languedoc bei der Domaine Ludovic Engelvin aufgehalten hatte. Allesamt minimalinvasiv und um Lichtjahre entfernt von den aufgezeichneten Horroszenarien des Artikels. Man muss halt auch wollen.

Schönes Wochenende. Prost

https://www.derstandard.de/story/2000140089018/naturwein-natuerlich-fehlerhaft

Bruno SchulzComment