Ausgekasselt

oder: Warum zündelt Ihr und nennt es Debatte?

Ich lese soeben den Meinungsbeitrag der Schriftstellerin und Essayistin Eva Menasse im aktuellen Spiegel zur Antisemitismusdebatte anlässlich der Ausfälle zur fünfzehnten Documenta zu Kassel. Sie titelt ihren Zweiseiter mit „Im Rausch des Bildersturms“, was sie mit einer scheinheiligen Frage als rhetorisches Mätzchen begleitet: „Was ist gefährlicher, Alte antisemitische Karikaturen aus Indonesien? Oder Antisemiten, die mit Maschinenpistolen in Synagogen eindrungen?

Das Motiv von Taring Padi ist natürlich nicht die antiquierte Karrikatur, als die die Vaterjüdin Menasse sie verharmlosen möchte. Die Documenta ist schließlich keine Retrospektive und so ist das bewusst kuratierte Statement immer genau so aktuell, wie es in einem solchen Panoptikum präsentiert wird, dessen gemeinschaftliche Aussage ganz offensichtlich als Kanon funktionieren will, in der die Summe mehr bedeutet als das Einzelwerk.

Der Sprung zum Attentat mit Maschinenpistole ist übrigens gar nicht mal so weit und findet sich in der ebenso für sie Documenta kuratierten Sammlung an Propagandafilmchen der „Japanese Red Army“, die mit ihrem brutalen Anschlag auf den Flughafen Tel Aviv einst zu internationaler, unrühmlichster Bekanntheit gelangte. Also? Eingangsfrage beantwortet? Das eine gehört zum anderen, wie der Ketchup auf die Pommes.

Mich wundert es nur mäßig, dass sie wenige Zeilen später noch ein Plädoyer für die BDS-Initiative nachsetzt, dessen Antiresolution des Bundestages sie bei der AfD schubladisiert, und den Boykott israelischer Siedlerprodukte einfordert. Menasse meint, dass die Israelis den verdienen, was sie per Ausrufungszeichen lautverstärkt vom subjektiven Haltungsschaden zur allgemeingültigen Deklaration befördert wissen will. Und bemüht sich, ihren selbstgerechten Kindergartenaufstampf-„Ordre de Mufti“ noch in der „Initiative GG 5.3 Weltoffenheit“ einzubetten, um in banalem Namedropping gleichgesinnter kulturlinker Salonintellektueller aus der eigenen Echokammer Referenz zu erzwingen.

Meine Oma war eine weise Frau, die zwei Weltkriege und einige Systeme überstehen musste, bis sie sich als aufrechte Sozialdemokratin in einer pluralistischen Demokratie vertreten sah. Sie sagte immer: „wer schreit hat Unrecht.“ Vielleicht meinte sie: „wer schreit hat keine Argumente.“ Und genau die suche ich bei Menasse vergebens.

Sie bringt es stattdessen tatsächlich fertig, die Kritiker der antisemitischen Realitäten von Kassel pauschal als Denunzianten zu diffamieren und mit einem Hauch von McCarthy zu benetzen, während sie von einer Marginalisierung der wahren Fachleute dahersalbadert. Größer geht es gerade nicht.

Fragen wir doch einfach mal den Zentralrat. Oder passt der nicht, weil er die eigene Linie nicht bedient? Ganz schön frech diese Juden, was?

Menasse meint: „Die einzige Forderung die noch fehlte, war, ganz Kassel niederzubrennen, damit angemessen Buße getan ist.“ Despektierliche Blähretorik. Peinlich. Überflüssig. Doof.

Die tatsächlich einzige Forderung muss lauten: Benennt Antisemitismus, wo er in Erscheinung tritt. Egal wo, egal wie, egal wer. Auch wenn das gerade mal die eigene Agenda stört, denn darauf wird er keine Rücksicht nehmen.

Bruno SchulzComment