Höflichkeit ist eine Zier

„Höflichkeit ist eine Zier,
doch weiter kommt man ohne ihr“,
feiern sich manche. Freundlichkeit ist ihnen ein alter, wertloser Hut. Schade, eigentlich.

„Höflichkeit kostet nichts“ war gestern. Heute würde man sie gerne allen untersagen, weil sie den Gewinn weniger schmälert. In der KI zum Beispiel kostet sie Zeit und Energie und somit Geld. Die Computer müssen die Freundlichkeit erst einmal verarbeiten. Sie verdauen. Das fällt ihnen schwer, die keine Empathie kennen und keine Manieren, Das ist ja fast so, wie auch in einigen Landstrichen hier bei uns, nur ohne Technik, aber noch weniger „Ahnung“. Ein Zeichen der Zeiten sich zunehmend verdichtender Egozentrierung.

Manche sagen schon, sie wollen sowieso nicht mehr freundlich sein wollen, weil ihnen das bei der Schlußabrechnung am Tage des jüngsten Gerichts auch nichts mehr brächte, was immer das auch sein soll: „Fuck you, Karma!“ rufen sie und haben das Konzept und die Vorzüge des gedeihlichen miteinanders nicht begriffen, das uns gar nicht wertvoll genug sein sollte, wie wir soeben weltpolitisch in einer Talfahrt unserer Zivilisation erfahren.

Immerhin meint Sam Altman, der Chef von OpenAI, ChatGPT und unzähliger absurd erfolgreicher KI-Unternehmen, dass es das wert sei mit der Freundlichkeit. Man reibt sich verwundert die verweinten Schweinsäuglein. Er löst es dann allerdings so auf, dass natürliche, menschenähnliche Unterhaltungen Teil dessen wäre, was KI wertvoll macht - selbst wenn dies höhere Energierechnungen bedeute. Puh, Entwarnung.

Hä? Menschlichkeit ist also immerhin gut dafür, seine Maschinerie aufzuwerten? Ein Wirtschaftsfaktor, nicht mehr. Altman meint:

"So go ahead and be polite, it’s tens of millions of dollars well spent.”

Altman ist aufgewachsen in einer säkularen jüdischen Familie im US-Staat Missouri, wo er es als jugendlicher Homosexueller im Mittelwesten vermutlich nicht immer leicht hatte. Seine Familie lebte das Prinzip „tiqqun olam“ aus dem Hebräischen, was sich vielleicht mit "Reparatur der Welt" oder "Heilung der Welt" übersetzen ließe und eine zentrale Position im Judentum innehat und die Menschen dazu auffordert, sich für eine bessere und gerechtere Welt einzusetzen. Das soll weit über das persönliche Handeln hinausgehen und beinhaltet sowohl soziale, als auch ökologische und politische Aspekte.

Altmans Interpretation und Perspektive darauf gerät allerdings eigenwillig und einschlägig getrieben. Er ist heute Trumpunterstützer. KI, Dollar und Menschlichkeit passen demnach offensichtlich doch nicht so gut zusammen.

Verdirbt Geld am Ende etwa doch den Charakter? Scheiß auf das Miteinander?

Bruno SchulzComment