"Hebbels Traum"

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"Der Traum ist der beste Beweis dafür, daß wir nicht so fest in unsere Haut eingeschlossen sind, wie es scheint." (Friedrich Hebbel)

Friedrich Hebbel kann man nicht nachsagen, dass er nicht aus seiner engen Haut gekommen wäre. Der Mann ist 1813 in ärmlichsten Verhältnissen zur Welt gekommen. Und das in Wesselburen/Dithmarschen. Das ist vielleicht nicht das Ende der Welt, aber das ist von dortaus leicht wahrnehmbar. Als dänischer Untertan, weil Dithmarschen zum Herzogtum Holstein gehörte und das noch bis 1864. Sohn eines Maurers und einer Schusterstochter, die bald auf der Straße landeten, weil sie ihre Schuld nicht bedienen konnten. Auch Friedrich sollte nach kurzer Volksschulzeit Maurer werden. Mit vorgezeichnet kleinster Zukunft und wenig Entwicklungsspielraum.

Gestorben ist er 1863 in Wien. Promoviert zum „Dr. phil. in absentia“ an der Universität zu Erlangen. Als renommierter, deutschsprachiger Dramatiker und Lyriker. 
  
Dazwischen liegt eine erstaunliche, abwechslungsreiche Vita mit erheblichen Abrissen und Brüchen. Verlusten und Neuanfängen, wenigen persönlichen Konstanten, die zudem kaum gepflegt wurden. Und erheblichen Anstrengungen in seiner Sache. Im Privaten schmeckt einiges Drama durch. Und wenig Bindungsfähigkeit oder -wille, was seiner Leidenschaft im Schreiben geschuldet sei, ohne die er seinen Weg kaum hätte machen können. Ohne Ego. In dieser Zeit. Nachlesen und tiefer einsteigen lohnt sich, denn es erklärt vieles. Und nicht nur über Hebbel selbst.
  
Man liest und spürt, wie Gefühle, Erkenntnis, Talent, Ambition und ein Quäntchen Fortune jeden Tellerrand nehmen lassen. Jedes Raster und jeden Käfig sprengen können, die als Gesetz gelten, zumindest die menschgemachten. Jede Grenze überwinden. Wenn man nur will. Und sicher auch unter erheblichen Anstrengungen, die ich ja gar nicht unterschlagen mag. Vielleicht auch Ignoranz. Wenn man so will.  
  
Wir alle kennen die Grafik um die eigene "comfort zone" und die entfernte Fläche "where the magic happens". Zu viele leben ihr Leben in scheinbar unumstößlichen Routinen. Ein Leben in Verhaltensstarre, Resignation zugunsten vermeintlicher Sicherheiten, die im Ernstfall ohnehin nur selten wirklich greifen und im Rückblick kaum die Kirsche auf dem Pudding waren. Ein langweiliges Leben, ein träges Dasein in Aspik. Was für eine Verschwendung. Das hier ist keine Generalprobe. Leben ist jetzt. Mehr Mut!

Und wer "seinen Hebbel" ganz anders interpretieren mag, der soll das bitte tun. Denn wenigstens die Gedanken sind frei.

Bruno SchulzComment