"Taxi Teheran“

„Taxi Teheran“ oder:
„Schluß mit Euren beknackten Stereotypen, Ihr Spalter.“

Es ist erst ein paar Woche her, da war ich mit einer bunten Truppe von Freunden und Freundesfreunden und deren Bekannten im Hamburger Lokal "Neni" zur abendlichen Atzung. Israelische Küche, hinreichend exotisch für unsere Gesellschaft und doch gegenständlich genug, das gegenseitige Kennenlernen zu beflügeln statt zu erchweren. Zur ständigen Reichung kleiner Speisen quer durch das kulinarische Israel zu einem 2014er „Gamla“ Syrah von den Golanhöhen, Annexion hin oder her, kam ein schöner tischübergreifender Dialog in Gang, was nicht selbstverständlich ist in so zufälligen Konstellationen mit unterschiedlichem Hintergrund.

Auch die oppulente Aufrechnung unseres Verzehrs und ihr brüder- wie schwesterlicher Ausgleich zu gleichen Teilen, vermochte das Stimmungshoch nicht zu dämpfen. Schnell waren die Mietdroschken gerufen, um den gelungenen Einstieg in den Abend im adäquaten Etablissement fortzusetzen. Schon ging sie los die wilde Fahrt und unsere Destination wie Endstation war St. Pauli.

Raumgreifend nahm ich in meiner barocken Leibesfülle den Beifahrerplatz ein und freute mich über unseren gut aufgelegten Chauffeur, der sich nach der pathologischen Zielabfrage sogleich nach der Ursache unserer guten Laune erkundigte und der nach kurzem hin und her nicht schlecht staunte, dass sich einige von uns untereinander kaum länger kannten als den Fahrer.

Woher wir kämen, wollte er wissen. „Hälftig aus Hamburg, der Rest aus halb Europa.“ Das „Hamburg“ wollte er nicht stehenlassen: „so wirkt ihr gar nicht.“ „Stimmt, die Hamburger sind alle zugezogen. Es sind aber keine Prenzelbergschwaben oder besser Wohlwillschwaben … dafür verbürge ich mich.“ „Hahaha.“ „Aber irgendwie kommt doch alles zusammen, was zusammen gehört.“ Ob er auch Hamburger sei, fragte ich. Er schaute mich länger an, grinst, prustet, lacht: „Unsinn“. „Unsinn? Wieso?“ „Sieht man doch, ich bin Perser, ich komme aus dem Iran, aus Teheran …“ „… und wohnst in Hamburg?“ „Ich bin hier geboren, meine Familie kommt aus Teheran.“ „Also bist Du mehr Hamburger, als wir alle zusammen.“ „Manchmal. ich bin mir gar nicht sicher, ob ich das immer will.“ „Ich hatte mal eine Freundin aus dem Iran vor vielen Jahren. Es war nicht leicht.“ „Ja, iranische Frauen sind kompliziert, mein Freund.“ „Bei uns lag das Problem eher bei der Mutter. Und stell Dir vor, ausgerechnet die war Deutsche. Eine deutsche Krankenschwester. „Iranischer“ als die ganze Familie.“ „Nicht alles ist wie es scheint.“ „Allerdings.“ „Stört es Euch, dass ich so neugierig gefragt habe?“ „Quatsch, ich mag das. Leute kennenlernen.“ „Stört es Dich, gefragt zu werden?“ „Nein, ich finde alles besser als das Gespräch über das Hamburger Wetter.“ „Im Ernst …“ „… nein, im Ernst, es zeigt, dass man sich für einander interessiert, was kann daran schlecht sein? Dass ich nicht aussehe wie ein norddeutscher Taxifahrer - gibt es den überhaupt? - müssen wir nicht diskutieren.“ Er zwinkert. „Warum sollen die Leute nicht fragen, was mich hierher geführt hat? Ich frage Euch doch auch.“ „So, Hein Hoyer, wo soll ich halten?“ „Da vorne am dem kleinen Bürgersteiggärtchen.“ „Macht 21 Euro, braucht Ihr eine Quittung?“ „Nein, mein Freund, ich wünsche Dir eine wunderbare Reise durch die Nacht.“

PS: Pat Appleton hat recht!

© 2019

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Bruno SchulzComment