Elefanten

Mein Freund Jörg meint es immer gut mit mir und ich natürlich auch mit ihm. Wir fühlen uns seit bald 40 Jahren marianengrabentiefst verbunden und haben gemeinsam ganz wunderbare Dinge erleben dürfen, vor Ort und fern der Heimat.

Inzwischen ist alles naturgemäß ein bisschen ruhiger geworden und trotzdem ist da natürlich noch jede Menge Zauber. Wir wollten schon immer mal ein Buch mit unseren wahrhaftig gemeinsam durchstandenen Anekdoten niederschreiben, das uns allerdings ziemlich sicher den Vorwurf einer phantasiereichen Münchhauseniade eintragen würde.

Während wir noch darüber sinnieren und die womöglichen Komplikationen abwägen, erzählen wir uns die Geschichten wieder und wieder selbst, um jedes Risiko zu vermeiden, auch nur ein wesentliches Detail nachlässig für immer auszuschleichen. Ein bisschen so, wie die westafrikanischen Griots, die ganze Familiengeschichten über Generationen hinweg musikalisch oft mit der Kora begleitet vorzutragen wissen in Ermangelung jeder Verschriftlichung derselbigen, womit wir auch geographisch fast schon im Thema wären.

Das alles macht Durst und wir haben ein schönes Ritual geformt, uns gegenseitig hochklassig zu versorgen. Dabei hat sich eine gemeinsame Vorliebe für trockene Rieslinge, Champagner und Gins verdichtet: von der oberen Nahe, aus Aÿ nebst Umgebung oder im London Style mit kolonialer Attitüde. Als alternde Menschen müssen wir achtgeben, man dehydriert ja so leicht.

Diesmal überraschte mich der Jörg mit einem „Elephant Gin“, den ich noch gar nicht richtig auf dem Zettel hatte, obwohl der inzwischen auch schon ein paar Jahre am deutschen Markt „mitmischt“. Im wahrsten Sinne des Wortes. Naja, es wird hier ja langsam „ginflationär“ und darunter kann man vieles getrost übergehen. Nun sind wir weder Pegel- noch Etikettsäufer, unsere Direktive heisst „Genuss“.

Der „Elephant Gin“ macht vieles anders. Und alles richtig. Seine Urheber denken über lokale Niedlichkeiten locker hinweg und schenken ihrem Stoff die wenigen positiven Aspekte seiner zutiefst kolonial verankerten Geschichte. Hier geht es um Afrika, spritsensorisch betrachtet. Unter der Verwendung von nur vierzehn, zum Teil extrem exotischer Botanicals von dort und nur scheinbar Selbstverständlichem von hier, ist ein Gin entstanden, der subjektiv in seiner Komplexität schwer zu übertreffen ist: Pimentkörner, Orangenschalen, Ingwer, Afrikanischer Wermut, Teufelskralle, Buchu und Baobab, aber eben auch Wacholder, Kiefernnadeln und Äpfel. Das klingt ein bisschen durcheinander, funktioniert aber ganz ausgezeichnet. Zutaten vom schwarzen Kontinent sind ja im Sujet spätestens seit dem englischen Whitley Neill Gin keine Überraschung mehr. Um so überaschender ist allerdings, was die Brenner damit anstellen. Zum Schluss füllen sie es ab in Tranchen zu je achthundert Flaschen, die sie auszeichnen mit den Namen der Elefanten aus der „Big Life Foundation“ oder der „Space For Elephants Foundation“, denen sie zudem noch fünfzehn Prozent aus den Verkaufserlösen zukommen lassen. Saufen für den guten Zweck, das Karma trinkend im Gleichgewicht halten, ich mag den spirituellen Ansatz dieser Spirituose.

Der Jörg serviert mir „den Elefanten“ mit Thomas-Henry-Tonic sachgerecht im großen Longdrinkeimer aus Kristallglas in der Halbliterklasse mit viel Eis und kleinem Zitrusfruchtsalat ganz ohne Mätzchen. Da hat man was in der Hand. Andere, alberne Glasformen und neckig extravagante Dekoideen wie aus dem schlichten Accessoire- und Einrichtungsheftchen, gehen mir meilenweit am Allerwertesten vorbei. Als tugendhafter Patient, genieße ich meine chininhaltige „Malariaprophylaxe“ pflichtbewusst in großen, gut gekühlten Schlucken, auch wenn die passende Reise dazu derzeit leider noch auf sich warten lassen muss. Oder vielleicht gerade darum. Egal und Prost, wir bleiben dafür ja mental hochbeweglich. Und rüstig. Immer.

Danke Jörg für die erhellende Erfahrung.
Da fasse ich nach.

Bruno SchulzComment