Die eigene Meinung

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„Individualismus ist die Sünde der politischen Freiheit." Das stammt von James Fenimore Cooper und ist schon über zweihundert Jahre alt. Auch der große Dichter und Denker Johann Wolfgang von Goethe hat den schon gelesen. Tatsächlich. Zum Beispiel „The Pioneers“ von 1826 und dann auch alle weiteren Werke, die in Weimar im Original verfügbar waren. Goethe schätzte das eigensinnige und selbständige Talent. Cooper war zwar kein Großmeister des Wortes, wohl aber der Handlung. Dicht und voller Spannung. Kritisch. Der Mann hatte eine spannende Vita. Hat viel versucht, viel gesehen und viel vergeigt. Er ist immer wieder aufgestanden. Und war schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts in ganz Europa unterwegs.

Das Schreiben begann er aus akuter Geldnot - ein interessanter Antrieb. In Deutschland machte ihn sein bekanntestes Werk „Der letzte Mohikaner“ zum Jugendbuchautor. Das allein wird dem Individualisten allerdings kaum gerecht.

Was ich von Cooper mitnehme? Mehr Mut zum Individualismus. Und Mut zu eigenständigem Denken. Immerwährende Lust auf Bildung. Wer selbst weiß, glaubt weniger an das, was man ihm vorkäut. Individualisten lassen sich selten gemein machen. Und kaum vor einen großen Karren spannen. Der schweizer Philosoph Ernst Reinhardt meinte: „der Individualismus ist die Notwehr des Einzelnen gegen seine Bedeutungslosigkeit in der Masse.“ Ich würde einen Schritt weitergehen: Der Individualismus ist der Notausgang des Einzelnen aus dem Wahnsinn der Masse. Und aus deren Wucht. Durchaus im Volumen eines deskriptiven Holismus. In natürlichen und kulturellen Begrenzungen. Und in den Konstitutionsbedingungen des Individuums.

Individualismus als Schutz? Wohl kaum. Aber als Perspektive. Eine Eigene. Und die ist heute wirklich bitternötig.

Die Schriftstellerin Fanny Lewald schrieb: „Seine Individualität wahren muß man immer, denn was sich nicht durch immer neue Selbsttätigkeit erhält, löst sich auf nach dem allgemeinen Gesetz des Werdens und Vergehens.“

© 2015/2018/2020 Bruno Schulz
© Motiv 2018 „Roseninsel/Q“ Bruno Schulz

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