Alte (und) Säcke

Es ist schon besorgniserregend, dass es derzeit kaum mehr ausreichend viele und große Säcke gibt, in die man die explodierende Zahl kritischer Bürger stecken möchte, die ständig und immer schriller „besorgt“ zu sein vorgeben: „besorgt“ wegen der zunehmend hysterisch erspürten Erosion ihrer egozentriert interpretierten Grundrechte (übersetzt: Business, Shopping, Party, Urlaub …) und natürlich auch wegen der psychischen Stabilität unserer „Alten“, die in abgelegenen Horrorverwahranstalten vor sich hinvegetieren und grausamerweise in galloppierender Vereinsamung von ihrem wohlverdienten Recht auf ein vorzeitiges Ableben nur deshalb nicht Gebrauch machen können, weil sie von einer Horde sadistischer Folterknechte im dämonisch täuschenden Camouflage humanitären Engagements zum Durchhalten verdammt und als Spielball der Medizin- und Pharmaindustrie schonungslos durchbeatmet, um dann doch zu guterletzt profan verklappt zu werden, anstatt mit einer klebrig erstickenden Lungenentzündung selig schmunzelnd die Regenbogenbrücke überqueren zu dürfen.

Ist es nicht irritierend, dass sobald es mal etwas schwieriger wird, gerade der Generation großflächig Todessehnsucht unterstellt werden will, die die Grauen des letzten Krieges durchgestanden haben und/oder deren Ausläufer, um auch für uns eine prosperierende Gesellschaft zu formen, in der solche Debatten überhaupt erst möglich werden konnten?

Und ist es nicht schon eine selbstdemaskierende, absurde Selbstverständlichkeit, alle Alten grundsätzlich in Pflegeendlagern zu verorten? Allein das lässt zur inneren Einstellung der Vortragenden und ihrer gesellschaftlichen Einbindung nur wenig Gutes vermuten. 

Haben die Empathiedarsteller keine Eltern und haben oder hatten sie keine Großeltern? Ist es unvorstellbar, dass Menschen auch bis ins hohe Alter selbstbestimmt leben können und ihr Lebensglück und ihre Daseinsfreude nicht ausschließlich auf den Besuchsrhythmus ihrer buckligen Verwandschaft abstellen?

In einer Zivilisation, in der heute durchschnittlich mehr als achtzig Lebensjahre erreicht werden? Die Alten brauchen keine selbstgefälligen, muffelig misanthropischen, Rotweinplörreschwadronneure, die sich bemühen, genau das zu demontieren.

Davon, eine ganze Gesellschaft nach Partikularinteressen deformieren und dabei noch besinnungsfrei von der Freiheit im Risiko leben zu wollen faseln, können interessanterweise vor allem jene, die selbst als erste lauthals wie schamfrei staatliche Soforthilfen einfordern. Solidargemeinschaft? Pustekuchen. Eine dystopische Vorstellung.

Im „ich“ ist immer alles ganz anders. Und jetzt sowieso.

Und was heisst schon „die Alten“? Persönlich bin ich gewiss kein Epidemiologe, kein Virologe und auch kein Humanmediziner, aber dass mindestens zwanzig Prozent der Bevölkerung als Risikopatienten einzustufen sind, lässt sich auch für den ignorantesten Laien federleicht entkomplizieren: zweiundachtzig Millionen durch fünf. Kein Pappenstiel. Vielleicht hilft ja ein persönliches Gespräch mit dem Fachpersonal einer Notaufnahme, wie leicht man Zugang in diesen offenbar wenig exklusiven Club findet.

Das Ganze ist nicht mehr als meine subjektive Haltung, die ich als solche auch deklariert wissen will für die Diskutanten, die sich selbst im Konjunktiv schwertun, eine Meinungsfreiheit könnte auch für andere gelten. Meinung, nicht Wissen. Das steht noch auf einem ganz anderen Blatt.

Bleibt gesund und allen anderen gute Besserung. So und so.