Irrlichter

„Überzeugungen sind bemerkenswert widerstandsfähig auch im Angesicht logisch verheerend erscheinender empirischer Befunde.“ 

Das haben die Stanford-Psychologen Lee David Roth und Craig A. Anderson so nach einer Reihe ernüchternder Versuche statuiert, wie im Werk des Nobelpreisträgers Daniel Kahneman „Judgment under Uncertainty: Heuristics and Biases“ nachzulesen ist.

Der terminus technicus lautet „Beharren auf Überzeugungen“ oder „konzeptioneller Konservatismus“, im Englischen „belief perseverance“. Beschrieben wird damit das irritierende Phänomen, dass Menschen auf ihren ursprünglichen Überzeugungen beharren können, selbst wenn sie mit validen Informationen versorgt werden, die diesen widersprechen.

Eine erste Studie im Sujet wurde 1956 von den Psychologen Festinger, Riecken und Schachter in der Studie „When Prophecy fails“ an der Universität von Minnesota veröffentlicht. Darin begleiteten die Wissenschaftler einen rustikalen Weltuntergangskult, der das Ende alles Irdischen schon weit vorab auf den 21. Dezember 1954 zu datieren wusste. Und obwohl die vermeintlich glaubwürdige Vorhersage dann doch nicht so eintraf, hielten die Mitglieder der Sekte ihren Überzeugungen kognitiv hochflexibel die Stange.

In den letzten Tagen stößt man in den sozialen Medien immer häufiger auf diese bemerkenswerte „Fähigkeit“. Und das nicht nur bei den üblichen pathologischen Apologeten alubehüteter Verschwörungsmeiereien. Nein, die Einschläge kommen näher, selbst bei Leuten, denen man über die Jahre ein gerüttelt Maß an Kompetenzen in der Bewertung von Informationen attestieren zu können vermeinte. Da ist der Aufprall dann manchmal umso ernüchternder. Und ganz besonders wird es dann, wenn diese die Diagnose so schmerzfrei wie exemplarisch „dunningkrugerisch“ umdrehen zu können glauben. 

Spätestens da sollte man, bar aller masochistischen Neigungen, alle Missionsversuche abbrechen, vor die Tür gehen oder aus dem Fenster schauen und sich auf Charles Chaplins großartige Empfehlung besinnen:

„For one minute please, stand here in silence and look at the sky, and contemplate how awesome life is.“

Bruno SchulzComment