Post an Pepe ...

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Brieffreundschaften:
"Post" von Bruno an Pepe:

Hallo Pepe,

es ist schön, dass ich Dich kennenlernen durfte und darf. Das ist nicht selbstverständlich und wurde erst möglich durch die allerbesten Möglichkeiten, die die sozialen Medien mit sich brachten, die es eben auch gibt neben all den Abgründen, vor denen man immer häufiger zutiefst verwundert sitzt und steht und das nicht nur zu Zeiten von Corona.

Wir beide lassen uns grob als Kreative über einen Kamm scheren, die ihre kleinzelligen Existenzen in den vermeintlichen Provinzen fristen. Du an der Ostsee und ich hier im Weinland an der Nahe. Uns beiden hat man oft gesteckt, dass das so nichts würde, fernab der Metropolen. „Was denn genau?“ war meine nachgestellte Frage auf die ungeforderte Antwort.

Denn vieles, was vermeintlich Kreative dort in tiefer Sehnsucht mühevoll als böhmisches Dorf zur Kompensation zimmern, ist bei uns lange Gegenwart. Ich muss keinen Weinberg und keine Weinstube simulieren und Du keinen Strand. Wir leben das Original und nicht das überteuerte und dabei nicht selten allzu wacklige Plagiat. Ich muss keine suffschweren Notgemeinschaften auf Wurzelverlust zu echten Freundschaften hochdeklarieren.

Von letzteren kann ich mindestens vier Gewachsene auf mehr als fünfundzwanzig Jahre Bestand taxieren, drei daraus sogar auf nahezu vierzig Jahre und einen noch darüber hinaus. Für mich bleibt das ein Schatz und reichlich emotionale Substanz. So bleibe ich offen für Neues, ohne das Alte zu verspielen und an Bodenhaftung einzubüßen.

Meine Provinz ist eine Insel, die mich in ihrer regelmäßigen Beschränkung zwingt „zur See zu fahren“, auch um mich nicht ständig um mich selbst zu drehen und dabei doch zu verlieren. Diese Reisen führten mich beruflich um die halbe Welt und ebenso privat an viele spannende Ziele. Heute bin ich ruhiger geworden und kenne die Destinationen die mir gut tun, weil sie inzwischen nicht nur meine Neugier stillen müssen, sondern vor allem mein Seelenheil bewahren sollten.

Die Summe der Erfahrung führt mich zu einer halbwegs holistischen Aufsicht, wenn ich die Zeit und die Ruhe finde, mal einen Schritt zurückzutreten von der Karte mit dem Großen und dem Ganzen. Und zur Gelassenheit. Denn natürlich ist mein Bad Kreuznach kein Hamburg, was kein Berlin ist und das kein London und schon gar kein Bangkok. Ich muss nicht auf die Dörfer trampeln, um nach oben zu buckeln, sondern plädiere für mehr Authentizität.

Das Bewusstsein um DNA ist keine schlechte Quelle für Entwicklung, denn wo nichts ist, kann selten etwas werden. Nachhaltigkeit wird leicht zur Worthülse, aber hier wird sie gelebt. Schon weil es gar nicht anders geht. Not und Tugend, Du verstehst.

Magst Du mir etwas über Kiel erzählen?

Viele Grüße
Bruno

Bruno SchulzComment