Bärendienst Vol. 1

Bärendienst.

Ein Bärendienst ist das Handeln in vermeintlich guten Absichten mit schlechtem Resultat für die Beteiligten und die Sache.

Die Redewendung vom „erwiesenen Bärendienst“ ist ein sehr altes Motiv und liegt wahrscheinlich in der Erkenntnis begründet, dass Bären sich zur tatsächlichen Domestizierung kaum eignen können.

Nachgelesen über dieses Missverhältnis von Mensch und Meister Petz habe ich heute morgen in einer Fabel des französischen Dichters Jean de La Fontaine aus dem Jahr 1678: „L’ours et l’amateur des jardins“ - „Der Bär und der Gartenfreund“, deren Pointe zeitlos ist und immer aktuell sein wird. Der Stein ist geschmissen, die lästige Fliege ist tot. Leider aber auch der Freund, dem diese auf der Nase saß.

Der Musiker Gil Ofarim hat uns eine Geschichte über den Antisemitismus erzählt, die wir alle gerne hören und glauben wollten, weil sie betroffen machte und sich so nahtlos einfügt in die Dramaturgie der Gegenwart. Die ganze Sache ist leicht zu googlen und ich möchte sie hier auch nicht erneut ausbreiten.

Ich gebe gerne zu, ich bin darauf eingestiegen, war wütend, habe zynisch Dinge unterstellt, polemisiert. War Teil einer Dynamik, die mit dem Unrecht umgehen will.

Diese Dynamik selbst ist schließlich ein gutes Zeichen, aber eben nicht immer und zu jeder Zeit. Sie sollte der Reflexion folgen und nicht dem Affekt, der ihre Wirkung zu schnell zu verbrauchen droht. Aufrichtige Empörung schleift sich ab. Wir müssen vorsichtig umgehen mit ihr.

Aufmerksam machte mich eine FBBekannte, die Berliner Kantorin Avitall Gerstetter, die sehr früh zur Besonnenheit überging und die Dinge erst einmal sichtbar ordnen mochte, um mit einem subjektiven Urteil abzuschließen. Das empfahl sie mir ebenso ohne jeden Zeigefinger und es fiel mir nach kurzem Überdenken kaum schwer, dieser Idee nachzufolgen und alle meine Statements im Sujet zu löschen, die schon in der ersten „Korrekturschleife“ als weit über jedes Ziel hinausgegangen erkennbar werden mussten. Avitall hatte recht.

Und jetzt? Für mich bedeutet die „causa Ofarim“ künftig nur noch genauer hinzuschauen und noch aufmerksamer zu bleiben. Denn es geht um die Sache und nicht den Schein: „Es ist nicht so schlimm, da war ja nichts.“ Nein, es ist noch viel schlimmer und wir dürfen uns den Blick nicht verstellen lassen.

Bruno SchulzComment