Reichelt hat die A*schkarte.

Wir alle kennen die verheerende Qualifizierungsbeschreibung, die der boshafte Volksmund vorgeblich besonders ehrgeizigen Frauen nachsagt die bereit seien, sich wortwörtlich mit Haut und rasiertem Haar für die eigene Karriere hinzuwerfen, sie hätten sich „nach oben geschlafen“. Der einstige BILD-Chef Julian Reichelt scheint soeben den augenfälligen Beweis angetreten zu sein, dass auch ein beruflicher Abstieg ervögelt werden kann, wenn man es nur darauf anlegt.

In den letzten Stunden, Tagen, Wochen und Monaten ist in sedierender Routine jede Menge geschrieben worden im Sujet. Und die einst so ehrwürdige wie unbestechliche „New York Times“, die inzwischen selbst ein wenig heruntergekommen ist auf eine Form „Wokistaner Tagesnachrichten“ titelte soeben von neuen Vorwürfen gegen Reichelt und mein Freund Pepe fragte sich nicht ganz unberechtigt, ob die Redakteure mit den Vokabeln „Sexismus“ und „Machtmissbrauch“ jetzt den Mann selbst meinen, sein Blatt oder vielleicht doch gleich den ganzen Verlag?

Von Günter Wallraff bis Max Goldt wurde ja eigentlich schon alles über die BILD-Zeitung gesagt, was man über das Revolverblatt wissen muss. „Halt sie nicht zu schief, sonst läuft das Blut raus“, wusste mich meine Großmutter Alwine schon vor mehr als fünfzig Jahren eindrücklich zu warnen.

Bislang funktionierte die Desinformations- und Diskreditierungsmaschinerie vor allem ins Außen. Jetzt hat es den Chef selbst erwischt. So what. Wundert es tatsächlich noch irgendjemanden, dass die Hände, die ständig Schei*e werfen, selbst nach Schei*e riechen? Reichelt mag vieles sein. Vielleicht ist er ein autokratisches A*schloch, was vermutlich zur Grundausstattung seines Handelns zählen könnte. Möglicherweise hat er seine Macht missbraucht, um „einvernehmlich“ mit Kolleginnen nahkörperlichen Höhepunkterfahrungen zu sammeln. Das aber gibt es bekanntlich in fast jeder Verwaltung deutscher Klein- und Mittelzentren ohne Konsequenzen und solange tatsächlich „einvernehmlich“, macht es ihn auch nicht gleich zu einem bleichgesichtigen R.Kelly oder Harvey Weinstein mit Peter-Pan-Syndrom.

Über die daraus erwiesenen Gefälligkeiten und deren Rechtswirksamkeit muss verhandelt werden, das ist klar. Aber in der derzeitigen Gemengelage ist das doch wohl eher ein Nebenkriegschauplatz. Jetzt ist er halt gestolpert über ein System, dessen Teil er lange war, an dem er reichlich profitierte und das er selbst ständig fütterte. Alles in allem wirkt es wie ein Schmierentheater, das mehr nach Strategie riecht und Kalkül, als nach professioneller Pflege von Unternehmensmoral. Vielleicht ist es eine Perspektivhandlung in vorauseilendem Gehorsam für das avisierte US-Business des neuen „Politico“-Eigners. Wer kann das schon beurteilen.

Viel ekliger finde ich hingegen die Geschehnisse im Umfeld. Die eingebremsten Recherchen des Ippen-Investigativteams, das Ende des unabhängigen Journalismus, der sich dringend neu erfinden muss, wenn noch irgendjemand an ihn glauben soll. Von BILD erwarte ich von jeher nichts, von Springer in Maßen, aber bei allen anderen ist es eben bald auch nicht mehr sehr viel besser, wenn das so weitergeht.

Mein Fazit? Wir sollten uns als bekennende Freunde der pluralistischen Demokratie nicht nur langsam fragen, was uns eine seriöse und unabhängige, journalistische Wahrheitsfindung wert ist. So wie es ist und wie es zu geraten droht, kann es jedenfalls nicht bleiben.

Guten Morgen aus Zierikzee.

Bruno SchulzComment