Drama, Baby! 2.0

Von Selbstentfreundung und Selbstentfolgung mit öffentlicher Ansage.

Aus „Wetten dass“-gegebenem Anlass, hier gleich noch einmal:

Ist die Selbstentfreundung coram publico in fremder Leute Profilen eigentlich inzwischen gelebter Standard, ein moralischer Erpressungsversuch, ein pathologischer Hilfeschrei oder ein sozialmediales „Harakiri“ des frühen einundzwanzigsten Jahrhunderts als öffentliches Bäuerchen auf subjektiv unverträgliche Sachverhalte?

Was bewegt wildfremde Menschen dazu, von denen man allenfalls alle paar Wochen oder Monate eine missgünstige Notiz, eine übergriffige hobbypädagogische Anstrengung, eine so selbstsichere wie absolute Parametrisierung des Weltengangs und die unerschütterliche Definition des allgemeinsgültigen Moralkodex in den Tiefen der Threads zu eigenen Posts vorfindet, genau dort die eigene Entnetzung zu statuieren, wenn man nach einer disharmonischen Pointe nicht augenblicklich einschert, Abbitte leistet und einen modernen Rütlischwur politischer Korrektheit abzulegen gewillt ist?

Ist das ein zeitgemäßer Ausdruck selbstermessener Bedeutsamkeit in reichlich schrägem Maßstab? Der persönliche Jeanne-D’Arc-Moment? Die sagenhaften 5 Minuten Warholscher Medialberühmtheit im Klitzekleinen zum molekularformatigen Gratismut? Das wütende Statuieren von Empörung der Social-Media-Laiensachverständigen, die als Echokammergandhis Punkte für die eigenen Karmakonten zu sammeln trachten? Das „I have a dream“ der Biederkeit? Oder Glaubensprüfung und Mission, es ihnen gleichzutun, mir fiesem Häretiker endlich eine schmerzhafte Lektion zu erteilen: „der Kerl soll gefälligst leiden unter unserem Aufmerksamkeitsentzug oder auf der Stelle widerrufen!“

Ich bin erstaunt, wieviel vermeintliche Nähe diese doch vorgeblich so distanzschaffende Form von Kommunikation vorzutäuschen vermag, fremde Menschen schulmeistern zu müssen, nur weil deren Perspektiven jenseits der paar gemeinsamen Tellerränder nicht zur eigenen Agenda passt. Das ist mir ein ganz schön egozentrisches Verständnis von Pluralismus, keine fremden Statements aushalten zu wollen.

„Wer mein schönes Lied nicht mitsingt, ist ab sofort nicht mehr mein Freund“? Ach, heul doch! Es fühlt sich an, als trage sich der Hausmüll selbst heraus.

Nachtrag:

Ich konnte ja nicht ahnen, dass der idiotische Akt einer auf fremden Social-Media-Profilen öffentlich angekündigten Selbstentfreundung als dramatisches Fanal zu meiner Ignoranz gegenüber kleinkarierter Befindlichkeiten immer noch unterblödet werden könnte.

Jetzt weiß ich es endlich besser durch eine ebenda öffentlich postulierte Auflösung eines ungefragten Folgens meiner bescheidenen Beiträge. Hä? Richtig gehört, nichtmal Facebookfreundschaft. Geh doch einfach leise, Danke. Was zur Hölle ist eigentlich los mit solchen Leuten?



Bruno SchulzComment