Schäm Dich, Buchmesse!

In der Gemengelage der von der taz an dieser Stelle gesammelten Fakten und vorgestellten Details gibt es neben einer Menge verständlicher und nachvollziehbarer Handlungen auch eine sehr aufdringliche Frage. Aber zunächst so: es sollte sich eigentlich jedem erschließen, dass Jasmina Kuhnke nicht an einer Messe teilnehmen möchte, auf der sie von Leuten angegangen wurde, denen sie nun regelmäßig begegnen soll. Der Verantwortliche des besagten völkischen Verlages mochte sie gemäß Kuhnkes Verlagsadresse Rowohlt coram publico sogar „abschieben lassen“, was so absurd wie bedrohlich wirken muss.

Es ist gut, dass sich Menschen solidarisch erklären und die Sache ihre verdiente Aufmerksamkeit erfährt. Man soll sie nicht verhöhnen und muss Jasmin Kuhnke nicht toll finden um zu begreifen, dass es hier um mehr geht, als ihre persönliche Agenda und um die subjektive Qualität von Pointen.

Es ist allerdings auch verständlich, dass die Frankfurter Buchmesse bemüht ist, einen Ausschluß der „Vertreiber von Verschriftlichungen wackeren Doitschtums“ auf dem Rechtsweg zu vermeiden, der zwar vor dreiundsechzig Jahren im Jahr 1958, im nervösen Weltenfokus dreizehn kurze Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation des verbrecherischen Dritten Reiches, schon einmal gelungen ist, dessen Aussicht auf Erfolg allerdings in keinem Verhältnis zur Publicity stünde, den die reaktionären personae non gratea zwangsläufig erfahren dürften. Der Ausgang eines Verfahrens wäre heute übrigens leider keineswegs eindeutig. Die zu Beklagenden beriefen sich darunter wahrscheinlich auf „ihr Recht auf freie Meinungsäußerung“, das ihnen tatsächlich in der zu erwartenden Rechtsprechung situativ nicht gewachsen zu sein scheint, da es im Gegensatz zu deren „wenig meinungsverbindlichen“ Windereien eindeutig bleibt und ihnen in seinem unbedingten Wert grundsätzlich auch schei*egal ist. Als überzeugter Anhänger der pluralistischen Demokratie kann man unmöglich die bizarre Rechtseinforderung auf Basis eines vorgetäuschten Sachverhaltes unterstützen, übernehmen und den Rechten tatsächlich ein solches Podium bieten wollen.

Zurück zu der eingangs sehr aufdringlichen Frage: warum also adelt die Buchmesse die rechten Gesinnungsbrüder mit einem so prominenten Logenplatz vis-à-vis des ZDF und schenkt ihnen damit auch noch die tägliche Abnahme eines Defilees an interessanten, aufrichtigen und vor allem demokratieverbindlichen Persönlichkeiten, die sich mit diesem mutwillig konstruierten Spießrutenlauf gedemütigt fühlen müssen? Kann man so dumm sein, ist das Perfidie oder schlicht Zufall? An Letzteres möchte ich glauben, kann es aber nicht, weil die Messegesellschaft einen wesentlichen Teil ihrer Aufgabe aus unterstellter Sachkompetenz ad absurdum führte. Wenn sogar die Rechten ihrem Glück kaum trauen wollen, aus der Schmuddelecke ins Rampenlicht geschoben worden zu sein, sollten wir das erstrecht nicht.

Welcher Schluss lässt sich daraus ziehen? Bekennt Farbe, zeigt eindeutig Haltung! Lasst keinen Raum für Spekulation. „Opfert“ den Verantwortlichen und denkt dabei nicht einmal an ein Bauernopfer. Entschuldigt Euch bei allen Betroffenen und solchen, die es sein könnten, letztlich also allen ehrlichen Demokraten. Öffentlich und in allen Kanälen. Und zwar flott.

„Papier für Braunes“ gehört nicht gebunden, sondern auf die Rolle.

Hier geht es zum Artikel in der TAZ

https://taz.de/Boykott-der-Frankfurter-Buchmesse/!5806078/

Bruno SchulzComment