Rock‘n‘Roll

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Dass die Schweizer Kaufmannsseelen sind, mag ein Stereotyp sein. Neu wäre das jedenfalls nicht. Die Redakteure Peter Nonnenmacher und Lisa Füllemann arbeiten sehr hart an diesem Klischee, schreiben klitzekleinkrämerisch für die Basler Zeitung. Und mit dem frisch verstorbenen Prinzen Philip rechnen sie minutiös auf und ab.

Für solch pingelige Pietätlosigkeiten hatte ich die Schweizer eigentlich gar nicht auf dem Zettel. Eigentlich hatte ich das Blatt überhaupt nicht wirklich auf dem Schirm und nun weiß ich auch warum.

Da werden 99 Jahre öffentliches Leben auf ein paar augenfällige Memes reduziert, die man in der aktuellen miniaturpolitischen Lesart leicht als gruselig befinden kann, um die hysterischen pseudolinken Spalterherzen billig aufzukochen.

Anstatt die Chance zu nutzen, mal ein paar Meter zurückzutreten vor dieser riesigen „Weltkarte Biographie“ und zu erkennen, dass der Herzog von Edinburgh im Grunde seines Herzens ein waschechter Rock‘n‘Roller war, der schon aneckte, bevor zornige junge Männer mit zu engen Hosen und langen Haaren die Bühne betraten und immer noch provozierte, als Mick Jagger längst nur noch chinesische Vasen sammelte, Keith Richards nur noch den freundlichen Gitarrenonkel in Arte-Dokus gab und andere sich exklusiv mit den kantenlosen Ölen und Weinen ihres Landgutes in der Toskana beschäftigten.

Prince Philip hielt die Monarchie fein dosiert auf Spannung, ohne sich dafür so kirmeslärmig wie boulevardwirksam in die Limousine eines glutäugigen Playboys aus dem Morgenland setzen zu müssen, um sich von dessen besoffenem Fahrer in der Stadt der Liebe vor die Wand fahren zu lassen, oder die eigene Familie für ein paar Minuten Fame in einer amerikanischen Krawall-Talkshow mit Applauskommando pressweinerlich zu diffamieren.

Er wußte bei aller Freude am Eklat eben auch, wann man besser in die zweite Reihe treten sollte, was er gleich für mehrere Generationen mühelos vorexerzierte und was heute zunehmend schwerer zu fallen scheint, in einer Zeit in der nur noch die Mäuse brüllen.

Witz und Provokation sind oft ein und dasselbe und sie zünden nicht im vermeintlich politisch korrekten Laborversuch. Entwicklung entsteht durch Reibung und nicht in selbstgefälliger Verhaltensstarre, die man anderen gleich zwanghaft mitoktroyieren muss.

RIP.

https://www.bazonline.ch/des-herzogs-ungehoerige-sprueche-142622638019?fbclid=IwAR3I6hM4OM9wMfed3EZOUkHHSinvW16lqkgSKwZel_sRU9C8lSdLiJ7jCSY

Bruno SchulzComment