von Restaurants, die "Ernst" heissen.

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Restaurants, die unentspannt „Ernst“ heissen, erinnern mich an eine Marotte der Interiour Designer in den frühen 90ern, als ales ganz „pur“ sein musste. Eine Art sensorisches Meta-Zen und ich war mittendrin. Da ich die Küche nicht kenne, sehe ich fünf junge, sehr dünne, weisse, trendgerechte Männer, die sich der Beschreibung des Empfehlenden nach, so „ernst“-haft wie analytisch auf das Sujet Essen von der kochtopfnahen Furche bis auf den Teller kaprizieren. Wenn ich von fünfundzwanzig Gängen lese, sehe ich vor meinem geistigen Auge minimalistisches Ikebana auf großer, handgemachter Keramik, vielleicht wie im „Dill“ zu Reykjavik und denke spontan an theoretische Exkurse wie im einstigen Kopenhagener „Noma“ mit seinen skandinavischen Fermentationsexzessen oder dem historischen „El Bulli“ mit seinem laborgestützen Aromengewese: absolut interessant, aber immer auch wie kurz vor der Examensprüfung an einer naturwissenschaftlichen Fakultät. Das kann und sollte man unbedingt mal machen, aber ich will mich nicht immer auf den Punkt vorbereitet wissen müssen, wenn ich zur Speisung schreite. Da verlasse ich mich im Alltag lieber auf mein Schmerbauchgefühl und freue mich auf den Wirt, der meine Leidenschaften kennt und teilt und auch deren Konsequenzen. Der als autodidaktischer Seelenkundiger nach langjähriger, konsequenter Übung ahnt, was ich in welcher Verfassung auf dem Teller brauche und was besser nicht. Und da sind wir schon bei der Frage, wer sich wann wie konzentrieren muss: der Koch, oder der Gast, der zwischen kulinarischer Umsorgtheit oder einer Vorlesung wählen darf. Beides geht in Ordnung - alles zu seiner Zeit.

Guten Appetit.

Bruno SchulzComment