Lesequote.

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Ich kann mich ehrlichgesagt nur sehr unscharf entsinnen, wieviele Frauen und wieviele Männer als Autoren auf den Lehrplänen standen, die meine Schulzeit inklusive Verlängerung zwischen 1971 und 1985 parametrisierten. Im Deutschen habe ich vor allem die üblichen verdächtigen Klassiker auf dem Schirm: Goethe, Schiller, Lessing & Co. Aber eben auch die Manns, Johnson, Kipphardt, Kafka, Brecht, Grass und Böll und so weiter und so fort. Im Französischen waren es Sartre, Camus und Ionesco. Englisch? Shakespear. Melville fand ich grandios.

Woran ich mich aber definitiv erinnere, ist mein ehemaliger Deutschlehrer Gutjahr, der nach meinem Wechsel auf eine Privatschule dem kleinstkarierten Wahnsinn der kleinstädtischen Gymnasialpädagogik endlich ein Ende setzte, deren alberner Austragungsort sich doch tatsächlich als Exzellenzmodell verstanden wissen wollte. In einer frischluftdichten Echokammer, von der von außen zurecht niemand Notiz nehmen wollte und mangels Kenntnis auch nicht konnte. Nach dem also eher schlichten Literaturkanon der ersten Jahre folgte ein Herzblutlehrer, der uns Neuzugängen schon in der allerersten Stunde am neuen Institut eine Theater-AG anbot. Natürlich hatte ich die nicht unbegründete Sorge, dass es sich dabei wieder um laienhaft rustikales Bauerntheater handeln könnte und ich vom Regen in der Traufe gelandet sein müsse.

Ein großer Irrtum. Ein großes Glück. Unser neuer Deutschlehrer wollte mit uns regelmäßig interessante Aufführungen außerhalb des Lehrplanes im Rheinmaingebiet besuchen. Gleich die erste Nummer war "In der Sache J. Robert Oppenheimer" von Heinar Kipphardt, die wir uns im Studio des hessischen Landestheaters zu Gemüte führten, um hernach bei einem Glas Wein darüber zu diskutieren. Das saß auf Anhieb und infizierte mich bis auf den heutigen Tag.

Dazu hatte er für uns ein paar Listen jenseits aller pädagogischen Pläne, für die sich im Schulalltag kein Platz fand. Seine Idee lag darin, uns für die Materie anzuzünden und und für eine selbstsichere Wahl zu rüsten. Das ist ihm zumindest bei mir gelungen. Die beiden Bibliotheken meiner Eltern taten ihr Übriges.

Warum ich das hier aufgeschrieben habe? Na weil ich meine, dass es darum geht, einen subjektiven Kompass auszubilden, der uns undogmatisch durch das Spektrum führt. Und Hautfarbe, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Religion, politische Orientierung und so weiter sollten uns in unserer Wahl nicht zu sehr beeinflussen. Jedenfalls nicht immer.

Bruno SchulzComment