RIPQE2

RIPQE2

Die Queen ist tot und Social Media ist voll von pathetischen Nekrologen und Beileidsadressen. Bei den meisten Prominenten ist mir das Ableben völlig piepenhagen, ich habe da keine Verbindung. Bei Lisbeth ist es ein bisschen anders und ich frage mich, woran das liegen könnte.

Kürzlich hat auch Jean Paul Belmondo von seinem Recht auf Ableben Gebrauch gemacht. Da hat es sich ganz ähnlich, schon ein bisschen komisch angefühlt. Wahrscheinlich liegt es an der Langstrecke. Man hatte den schon als Kind gesehen: „Abenteuer in Rio“. Natürlich „außer Atem“. Später den „Profi“ und dann vor allem in der Gala & Co. in stereotyper, knappgeschürzter Hupfdohlenbegleitung, aktiv beschäftigt mit seiner Selbstdemontage.

Glühender Fankulte, Götzen- und Ikonenanbetungen unverdächtig, diagnostiziere ich mir eine gedankliche Verknüpfung von Lebenswegen. QE2 war dreizehn Jahre älter als meine Mutter, zehn als mein inzwischen verstorbener Vater, aber sie war auch knapp zweiunddreissig Jahre jünger als meine Oma Alwine, die uns bereits 1978 verlassen hat. Da war QE2 bereits zweiundfünfzig Jahre alt und wir sind schon mitten in den rechnerischen Bezügen und damit dem Erstellen von biographischen Verhältnissen.

Et voilà: die Queen dient mir als Skala und Stoppuhr zur Parametrisierung meines eigenen Marathons und darüber hinaus vielleicht als eine Art Schnittstelle zum Weltgeschehen. Unglaublich, wer inzwischen Kunst, Kultur und Politik bestimmte oder bereicherte. Ein Riesenhaufen an Zufällen, der zur Einordnung eines Rasters bedurfte und bedarf. Mit der Zeit kommt die Melancholie, man wird eben wachsweicher mit den Jahren.

QE2 ließ man die Monarchie gerade noch so durchgehen. Sie schien aus der Zeit gefallen. Strahlte Würde aus, was auch immer das bedeuten soll. Eine Momentaufnahme. Ihre Vorgänger meuchelten ihre Ehefrauen oder plünderten andere Kontinente, ganz so wie die eigenen Untertanen. Ihre Nachzucht balgte und balgen sich um Spitzenplätze im Boulevard, die Schwiegertöchter und -Enkelinnen dilettierten mit unappetitlichen Indiskretionen, führten und führen ein dekadentes öffentliches Jetset-Leben, ein Sohn wollte Tampon sein, U-Boot im roten Meer, der andere poussierte degoutant mit seinem Kumpel Jeffrey Eppstein die ganz jungen Dinger und ging dank Muttis Connections und dicker Börse straffrei aus. Unangenehm. Aber die hartgesottene Fanbase schluckt ja selbst das. Darf nicht jetzt endlich Schluss sein?

Jenseits aller rotwangigen Klatschkasper gilt: der Lack ist ab. Mit QE2 stirbt eine Ära endgültig aus und mit ihr die Hoffnung, die Dinge jenseits der eigenen Besteckschublade oder Werkzeugkiste doch noch irgendwie ordnen und in Ordnung bringen zu können. Und das selbst bei Anhängern des pluralistisch demokratischen Gedankens.

Im Rückblick hat wohl jeder sein ganz eigenes Bild. Der österreichische Autor Georg Biron entsann sich zur Todesnachricht umgehend einer erstaunlichen gedanklichen Brücke zu Busenwunder Jayne Mansfield, bei der die junge Regentin gleich beide Talente fröhlich in Augenschein nahm. Eine außergewöhnliche Assoziation. Ungwohnt ist dabei allerdings weniger die Musterung der Nischenbegabung, als die Jugend der Königin. Wir alle kennen sie ja eigentlich nur als alte, zuletzt steinalte Frau, die nun mit sechsundneunzig Jahren gestorben ist. Was daran überrascht, ist vermutlich kaum, dass eine sehr alte Frau geht, sondern dass das Bild eines ganzen Jahrhunderts abgehängt wird und damit irgendwie auch ein nicht unerheblicher Teil der eigenen Vergangenheit. Zumindest bei den nicht mehr ganz so Taufrischen unter uns.

RIP.

motiv: pixabay

Bruno SchulzComment