Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf

Das ist ein nettes, freundliches Interview mit einer charmanten, runden, jungen Frau, bevor im nächsten Beitrag wieder die Brigitte-Diät angepriesen wird und die „10 Wege zur perfekten Bikini-Figur“, auf die dann „Backrezepte für den gelungenen Kaffeeklatsch mit den Besten folgen“. Wechselbäder der Befindlichkeiten: erst die Forderung nach vermeintlicher Toleranz suggerieren, um dann doch wieder klare Zielkoordinaten für die gesellschaftfähige Selbstformung zu definieren. Als alternder weißer Mann mit zunehmend eskalierender Neigung zu barocker Zügellosigkeit - ist Essen tatsächlich der Sex der Alten? - kenne ich aus persönlicher Erfahrung alle körperlichen Aggregatzustände zwischen fest und weich, trocken und fettig und schaffte es in Jahrzehnten nicht, die goldene Mitte zu finden. Daran werden wohl auch alle mantraartig wiederholten Einwände aus den unzähligen Kommentarspalten im Sujet und auch der analoge Diskurs wohl nur noch wenig ändern. Ob begründete gesundheitliche Einwände oder cachierte Häme, Missionsarbeit zur Leibesertüchtigung oder geschäftstüchtige Selbstoptimierungsvisionen, geheucheltes Verständnis für die „lieben, aber schlichten Dicken“ oder ein gelassener Umgang miteinander im Bewusstsein um Reichtum durch Vielfalt jenseits normierungsbestrebter Einfalt, seinen Weg muss da einjeder selbst finden im Spießrutenlauf gesellschaftlicher Konventionen zum Wechsel der Epochen und deren Menschenbild. Nach der Weihnachtsfeier ist vor dem Hometrainer, die Spaziergänge mit dem Hund ein Aufbäumen vor dem nächsten Plätzchen, wie die Sandburg in der Brandung. Und jetzt? Was will ich danit sagen? Dass man besser früher als später seinen Frieden mit sich macht und selbst herausfindet, was wirklich gut für einen ist, um sich nicht ständig dem auszusetzen, was andere in ihren ebenso oszillierenden Bedindlichkeiten auf einen projizieren wollen. Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Und die Medien befeuern das.

Bruno SchulzComment