Dezembermelancholie

Heute bin ich für meinen Mittagstisch eine Zeitreise angetreten. Das vorletzte Mal habe ich das Lokal „Fessner“ noch mit meiner Großmutter Alwine besucht, die 1978 starb. Der Restaurantbesuch muss in den frühen Siebzigern vor fast fünfzig Jahren gewesen sein und ich trank wahrscheinlich eine „Floridaboy Orange“.

Das letzte Mal war es dann aus einem Melancholieanfall heraus vor immerhin mehr als dreissig Jahren. Ich erinnere mich genau, dass ich seinerzeit noch meinen Rockford-Camaro Z28 gefahren bin, den ich allerdings schon 1986 gegen einen 69er Käfer Cabrio eingetauscht habe, nachdem ich all mein Taschengeld bei den Tankwarten unserer Stadt eingebüßt hatte. Bis heute im Jahr 2021 hat sich bei „Fessner“ nichts Wesentliches verändert. Warum auch?

Als erstes begegnete mir im Schankraum der deutlich über achtzigjährige Vater eines leider viel zu früh verstorbenen Schulfreundes, für den ich seinerzeit den Nekrolog verfassen durfte. Heute hatte er auf seinem Weg ins Sportstudio spontan noch Lust auf ein Schöppchen. Nach ein paar freundlichen Worten nach langer Zeit, hatte ich dann einen Seniorenteller Wiener Schnitzel vom Kalb mit Bratkartoffeln aus dem Eisen nebst ersoffenem Salat. Ich mag das. Mit einer Träne im Knopfloch.

Und das Automobil in der Garage des Gastronomen war dann noch der Punkt auf dem „i“.

Mahlzeit.

Bruno SchulzComment