Lachen verboten!

„Darf er das?“

Die Pointe, aus dem Französischen für „Spitze“ und das als romanische Sprache aus dem lateinischen „puncta“ für „Stich“, steht für die Überraschung im rhetorischen Prozess, wie beispielsweise in einem Witzes, der erst durch die Wendung zu einem ebensolchen wird. Der komische Aspekt liegt in der spontanen Wahrnehmung von Sinnhaftigkeit im Gefüge von vermeintlich unvereinbaren Konzepten. Oft liegt der Charme einer Pointe schon in ihrer Vorhersehbarkeit dank des erkennbaren rhetorischen Anlaufs auf die erwartbare Erlösung. Ein „kleiner Orgasmus“, sozusagen.

Die kleinliche Bedeutung als überraschende Wendung in einer dramatischen Handlung lasse ich an dieser Stelle außen vor, schon weil sich das Prinzip nicht widerspricht.

Der römische Dichter Horaz, eigentlich Quintus Horatius Flaccus, wurde nicht zuletzt zu einem der wesentlichsten Dichter und Denker der augusteischen Zeit dank seiner überlieferten Überzeugung „lieber einen guten Freund, als eine gute Pointe zu verlieren“.

Wie jeder halbwegs ehrgeizige Ballsportler, weiß schon der geringbegabteste Erzähler wie wichtig es ist, „den Punkt zu machen“. Und das allein schon für sich selbst, noch vor jedem Gedanken an das Publikum.

Heute ist das alles nicht mehr ganz so einfach in einer Zeit, da Witzemacher und Zotenreisser gleich dem mittelalterlichen Hoffnarr als allererste geopfert werden sollen für die Wahrung kleinzelliger, subjektive Befindlichkeiten. Die witzerzählzeitsynchrone Recherche (ich liebe die deutsche Sprache für ihre Begabung zur Bildung von Mehrfachkomposita) nach jeder nur denkbaren Betroffenheit will alles kleine Glück partout ersticken in einer teigig tranigen Ausbreitung moralinsaurer Allgemeinplätze für das kleine bisschen Eigenwirkung.

Das Publikum soll gefälligst auf seinen wohlverdienten Spaß verzichten für das gerechte protestantische Karo, in das man es immer wieder zu treiben gedenkt. Es soll leiden, so wie es der Advokat der gerechten Sache auszuhalten vorgibt, wozu sich der nervbohrend Einwendende in der Regel so ungefragt wie chronisch unterqualifiziert aufschwingt in Ermangelung eigener Inhalte. Und jeder noch so geringe Widerspruch wird verunmöglicht im zeigefingernden Vortrag eines verallgemeinerten gesellschaftlichen Konsens. Die sozialmediale Inquisition wird es schon richten. Oder der Wutpöbel. Eigentlich ist es fast egal: das Ergebnis ist Leere.

So manchen Witz würde ich heute in Erwartung der Reaktion nicht mehr machen. Oder vielleicht gerade erstrecht.

Bruno SchulzComment