die Kraft des Geistes.

Im vergangenen Jahr entdeckte man in der mongolischen Provinz Songino Khairkhan einen bald 165 (!) Jahre alten Mönch, der auf dem Schwarzmarkt als Mumie verkauft und außer Landes geschafft werden sollte.

Dabei handelte es sich offenbar um den Lama Dorzho Itigilow aus Ivolginsk, einem Kloster in der Steppe der russischen Republik Burjatien. Itigilow ist sowas wie ein spiritueller Rockstar und ein Universalgelehrter, der sage und schreibe mehr als fünfzig philosophische Ausführungen und ein pharmakologisches Standardwerk veröffentlicht hat.

Glaubt man seinen Apologeten, aber auch den semiakademischen lokalen Forensikern, ist der Gute nicht einmal tot, obwohl er angeblich bereits im Jahr 1927 verstorben sei. „Das sei grober Unfug“, bedeuten die Lebendigerklärer und finden darin Unterstützung beim Pathologen Alexander Chatschaturow von der Moskauer Chemisch-Technischen Universität. Der behauptet nämlich, Itigilow würde sogar auf seine Umgebung reagieren: hin und wieder öffne er sogar Mund und Augen. Der russische Wissenschaftler meint, dass ein von sich selbst aus aktives System als lebendig deklariert werden müsse.

Vorgeblich befindet sich Itigilow in einer „sehr tiefen Meditation“: dem „Tukdam“. Dieser Bewusstseinszustand beschreibt im Buddhismus die allerletzte Stufe vor der Buddhawerdung, die besonders Vergeistigte nach frühestens drei Wochen einzunehmen fähig seien.

Ganhugiyn Purevbata ist unisono Gründer und Exklusivprofessor an seiner, von ihm selbst gegründeten Fakultät des „Mongolian Institute of Buddhist Art“ in Ulan-Bator und sekundiert ergänzend, bei dem nur angeblich Mumifizierten handle es sich unzweifelhaft um einen Lama, also einen hohen buddhistischen Priester.

Die „Siberian Times“ zitiert Purevbata wörtlich, dass der vorgeblich verstorbene Lama Itigilow schließlich in der Lotusposition säße und die linke Hand geöffnet halte. Seine rechte Hand in der Position eines Predigers signalisiere eindeutig, dass der Lama von daher kaum tot sein könne, sondern sich in ebendieser sehr tiefen Meditation „Tukdam“ befände, der steinalten Tradition der buddhistischen Lamas. Nur boshafte Häretiker wollten das wohl bezweifeln.

Itigilows Nachfolger in Ivolginsk, Daschi Aujuscheew beschreibt, die eigentliche Kraft liege sicher nicht in irgendeiner banalen Magie oder müden Zirkusnummer, sondern den Menschen aufrichtig zu belegen, dass ihre Möglichkeiten schier grenzenlos seien und dass die innere Welt viel reicher sei, als man gemeinhin anzunehmen bereit wäre, eben sehr viel reicher, als die profane äußere, materielle Welt.

Zuletzt erst fand sich im Gewand des scheintoten Lamas ein Zettel mit kryptischen Zeichen als persönliche Notiz des großen Meisters. Nach einer aufwändigen Transkription des sensationellen Nachlass, ließ sich die einmalige Botschaft an die Menschheit schließlich auch noch entschlüsseln:

„Nicht alles glauben Du sollst, was auf Facebook Du liest. Was richtig ist und was falsch, entscheide Du selbst.“

(Bad Kreuznach, 2016)

Bruno SchulzComment