Die Sache mit dem "VINO" und dem "VERITAS".

Der römische Historiker Tacitus dokumentierte seinerzeit aufmerksam, dass die Germanen zu ihren Ratssitzungen gerne Wein tranken, weil sie überzeugt davon waren, niemand könne glaubwürdig lügen, wenn er nur hinreichend betrunken sei. Und noch heute kennen wir die gemeine Volksweisheit: „Kinder und Betrunkene lügen nie“.

„In vino veritas“ bezieht sich demnach auf den Trinkenden, denn mit dem Wein ist das so eine Sache.

Was vielleicht nicht allen bewusst ist: Wein ist kein Lebensmittel. Das EU-Gesetz bezeichnet ihn lieber als „Genussmittel“ und das aus gutem Grund: so darf der Wein ohne die Kennzeichnung von technischen Hilfsmitteln oder Zusatzstoffen auskommen. Wein ist nicht immer das, womit der chemieunkundige Genießer rechnet, wenn er das Objekt seiner Begierde naiv auf die schlichte Formel „Traube plus Alkohol“ zu verkürzen wagt.

Was alle noch sehend mitnehmen, ist der geflaggte Schwefel. Der ist nämlich bereits ab zehn Milligramm kennzeichnungspflichtig, konserviert und schützt vor Oxidation. Geringere Bekanntheit erfahren da schon die tierischen Produkte jenseits der anekdotisch kolportierten Reblaus, wie Hühnereiweiß, Fisch oder Milchprodukte oder alternativ Erbs- und Sojaproteine, die ohnehin erst ab 25 Milligramm per Liter dokumentiert werden wollen, wenn sie überhaupt nachweisbar sind. Es bedarf kaum investigativer Begabung zu ermitteln, warum die Grenze tatsächlich bei 25 Milligramm liegt. Die veganen Zeitgenossen sind gut beraten, auf ihr explizites Freigabezeichen zu achten.

Dazu kommen zum Beispiel hin und wieder der „gute“ Rübenzucker für mehr Volt, Aroma-Reinzuchthefen zur Profilschärfung für das infantile Standbild im Kopfkino und etwa fünfzig (50!) weitere zugelassene Hilfsmittelchen wie möglicherweise auch industriell hergestellte Zitronensäure unter Verwendung von genetisch veränderten Organismen, mit denen Petrosilius Zwackelmann aus Pech Gold zu zaubern vermag, wie der Kellermagier aus der schlimmsten Traubenplörre ein Zeug, das er im Discount und auch darüber hinaus noch als Wein vermarkten kann.

Und nichts von alledem findet sich auf der Ausstattung wieder.

Natürlich machen „unsere“ Winzer das nicht, aber dafür sind sie ja auch „unsere“ Winzer.

Winzer die sogenannten „Naturwein“ erzeugen oder „vin naturel“ oder besser noch „vin vivant“, wie der Franzose deutlich treffsicherer formuliert, verzichten auf den ganzen Schnickschnack. Und entgegen der so bekannten wie ermüdenden Unkerei der Ewiggestrigen schmeckt der weder schlecht, noch versucht man uns gemeinhin Fehltöne als Qualitätskennzeichnen zu verhökern. Es erfordert sicher mehr Geschick, handwerkliche Fähigkeiten und einige Erfahrung, doch dann kann Großartiges gelingen. Wer das ignoriert, hat am Wein kein ehrliches Interesse. Ich für meinen Teil beschäftige mich inzwischen seit ein paar Jahren mit dem Sujet in stets anwachsender Begeisterung und mag ganz sicher nicht mehr auf diese Weine und ihre ganz eigene Welt verzichten.

Prost!

Bruno SchulzComment