Frohes Fest.

„Die meisten Leute feiern Weihnachten, weil die meisten Leute Weihnachten feiern“, meinte Kurt Tucholsky und ich glaube, er hatte recht.

Ein entfernterer FB-Bekannter präsentierte kürzlich ein Meme mit einer radikal verkürzten Aussage der einstigen evangelisch-lutherischen Bischöfin Margot Käßmann: „Es gibt kein Recht auf das Weihnachtsfest.“ Tatsächlich hatte die im Deutschlandfunk gesagt, dass sie „ein abgespecktes Weihnachten für eine Chance halte“. Aber da kochte die Volksseele bereits sprudelnd über und keiner wollte mehr den Gedanken hinter der demagogischen Verdichtung verfolgen.

„Prost“ heisst der inzwischen offenbar institutionalisierte „Käßmann-Reflex“ auf die Aussagen der Theologin. Man hört dem Menschen nicht mehr zu, was sie zu sagen haben. Weil mal „ein Glas Rotwein zuviel“ durch eine indiskrete Führerscheinkontrolle öffentlich wurde, sieht sich der pathologisch wütende Bürger in allen seinen sackschlichten Annahmen bestätigt, dass seine Peiniger ihn tatsächlich stets zum Wasser nötigten, um ihm seinen wohlverdienten Rebensaft dann konsequent wegzusaufen. Er selbst weiß gar nicht mehr, wie Wein überhaupt schmecken tut. Schon gar nicht zuviel davon. Er selbst schmeckt ja stets nur seine Unterdrückung durch „die da oben“. Und das macht alles bitter.

Zusammengefasst wollten sich also viele von einer Figur aus einer christlichen Institution nicht vorschreiben lassen, ob und wie sie Weihnachten zu feiern hätten. Mal ganz abgesehen davon, dass es darum niemals ging, sondern um einen gedanklichen Impuls, blenden diese Leute scheinbar aus, warum das Fest überhaupt in dieser Form gefeiert wird.

Nun bin ich weder sonderlich religiös und schon gar kein Anhänger der kirchlichen Illusionsverwalter nebst ihrer über- und verkommenen Hierarchien. Und vielleicht finde ich es gerade deshalb so absurd, dass viele die Rituale unreflektiert vereinnahmen, mit gewöhnlichen Konsumgesten unterfüttern, um sich doch von all dem losgelöst zu wähnen.

Was ist eigentlich so schlimm an einem Gedanken von einem abgespeckten Weihnachten? Fühlt sich das vielleicht an, wie das drohende Tempolimit? Wie die ausfallende Malle-Flugreise und weitere, ähnlich dramatische Beschneidungsphantasien?

Vielleicht wäre ja ein bisschen mehr Ruhe tatsächlich förderlich für den Konsens, das Miteinander, das für meinen Geschmack in den vergangenen Monaten erheblich gelitten hat. Eine Auszeit, in der man wieder zuhören möchte und den Dialog sucht. Mit reduzierter Konsumsedierung für den Blick auf das Wesentliche, das auf der Strecke zu bleiben droht. Vielleicht ist manchmal weniger tatsächlich mehr?

Euch allen frohe Weihnachten.

motiv: photocase

Bruno SchulzComment