Was ist los mit Euch?

Kaum erscheint im „Stern“ ein Beitrag über die ersten Stunden der Ampel, schon drehen Millionen von Bundestrainern, Profiepidemiologen und Politikverstehern wutmichelnd durch. Ein Lichtbilddokument der ambitionierten Frau Baerbock zu ihrer allerersten diplomatischen Antrittsrunde muss genügen, dass Myriaden von „aufrechtsen“ Mallependlern, die sich im ungerechten, ökomoralischen Zurücksetzungsmodus wähnen, schnaubend schnappreflexen. „Öko“ ist böse, „bio“ ist Abfall. „Die darf und ich nicht“, salbadern sie „in ihrer schlichten Sinnübertragung“ in die Threads wie ihren Durchfall in die Schüsseln. Blutdruck!

Hallo! Die Annalena fliegt nicht zum Saufen, nicht zum Yoga und auch nicht „superwichtig“ zum beknackten Fincagewese deutscher Mittelmäßigkeit mit halbgaren Prominenzphantasien. Baerbock ist Außenministerin und sie scheint zu brennen. Was für ein Unterschied zu dem irrwichtelnden saarländischen Dreikäsehoch mit dem chronisch schrittkneifenden Beinkleid auf seiner nie endenden Galatour im Scheinwerferlichtgewitter. Baerbocks knapp getaktetes Programm ist eine Ochsentour, wie sie sich ihre Kritiker in ihrer symptomatischen Verhaltensstarre auf der heimischen Couch in ihrer zweifellos holistischen Weltensicht nur sehr knapp vorstellen mögen:

„Die neue Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ist schon unterwegs: Noch am Mittwochabend ist sie zu Antrittsbesuchen in Europa aufgebrochen. Zuerst steht an diesem Donnerstag ein Termin in Paris auf dem Programm, dann zwei in Brüssel. Am Freitag geht es nach Warschau.“

Wohlgemerkt alles in nicht einmal 60 Stunden.

Ob Baerbock einen guten Job macht? Keine Ahnung, sie ist seit wann genau im Amt? Nicht einmal 100 Stunden. Wie wäre es mit den geläufigeren 100 Tagen Anlaufzeit, die sie ja nicht wirklich hat?

Es ist kein Geheimnis, dass mir ein Cem Özdemir in ihrem Amt besser gefallen hätte und dass ich gerne lästernd meinen subjektiven und möglicherweise unbegründeten Vorurteilen nachgäbe. Genau das aber erspare ich lieber mir und uns im Rückblick auf die letzten Jahre und Jahrzehnte. Und mal ehrlich, wohin genau sehnen sich die ewigen Mauler und Maulhelden eigentlich zurück in ihrer Dauerunzufriedenheit? Ist die allgegenwärtige Wut möglicherweise Ausdruck eigenen Unvermögens. Vermisst Ihr das teigig bräsige Armin-Laschet-Feeling? Hättet Ihr lieber Blackrock im Kanzleramt sitzen?

Geben wir Frau Baerbock doch die paar Wochen und messen wir sie an ihren Taten und nicht an unseren schlichten Laienhypothesen. Was haben wir schon zu verlieren?

Bruno SchulzComment