Sollten Politikerinnen gut aussehen?

Sollten Politikerinnen gut aussehen?

Ricarda Lang ist als grüne Politikerin Mitglied des Deutschen Bundestages. Die einstige Sprecherin der Grünen Jugend ist heute frauenpolitische Sprecherin und seit dem 29. Januar, vorbehaltlich der Bestätigung durch die Briefwahl, Bundesvorsitzende ihrer Partei, gemeinsam mit Omid Nouripour.

In den Medien habe ich bislang nicht viel von ihr mitgenommen, was sie in keiner Weise diskreditieren soll. Ich hatte sie einfach nicht wirklich auf dem Schirm. Mein Ding.

Seit vorgestern hat sich das epochal verändert, denn mein Newsstream bei Facebook wird geflutet von schäbigen Posts aus der alleruntersten Schublade. Die meisten Autoren dieser Schmähbotschaften sind tatsächlich die ewigen Nationaltrainer, Epidemiologen, Oekotrophologen, Politik- und Ästhetikexperten, ständig mansplainende Stammtischtypen, die schon immer alles besser wussten. Bis auf die wenigen reaktionären Social-Media-Starlets sind das vornehmlich alte Säcke, die sogar die CDU kaum aushalten konnten, solange die von einer Frau maßgeblich gesteuert wurde. Zum Glück finden die Christdemokraten soeben in ihr maximalkorruptes Wertekorsett zurück, denn unsere jauchesprühenden misogynen Misanthropen fühlen sich erst dann so richtig wohl, wenn sie von Ihresgleichen auf das Allerschärfste am Sack rasiert werden.

Was wissen diese Leute von Ricarda Lang, was ich nicht einmal ahne? Liegt es tatsächlich an einem abgebrochenen Studium, das die meisten ihrer Kritiker nicht einmal begonnen haben zu einer Zeit als Gedichteauswendiglernen und Nachplappern, Dreisatz und semikreationistischer Quatsch noch zur allgemeinen Hochschulreife befähigten? Wohl kaum, denn dazu haben ja die eigenen Stars selbst nachweislich schon gelogen, dass sich sogar die konservativsten Balken bogen. Also?

Na klar, es sind die Äußerlichkeiten und vielleicht noch das Alter, das den zeitlosen Modellathleten missbehagt: Ricarda Lang ist rund. Ja und?

Das zweifellos Infantilste, was ich kürzlich im Sujet rezipieren sollte, war der Schnappreflex eines gestellten Bodyshamers, der meinte, dass sie sich das eben gefallen lassen müsse, denn eine optische Bewertung nach den Maßstäben seinesgleichen sei ja wohl bei einer Tätigkeit coram publico kaum weniger als selbstverständlich. Schließlich habe auch eine Claudia Schiffer - hat er das wirklich so aufgeschrieben? Ja, er hat!- das 'millionenfach' durchstehen können, eine Julia Klöckner, eine Manuela Schwesig und sogar eine Sarah Wagenknecht würden von außen nach innen vermessen und sowohl ein Ronald Reagan, als auch ein Barack Obama oder Arnold Schwarzenegger wären für ihre optischen Reize gewählt worden. Oha. Da tun sich Abgründe auf. Die historische Einordnung und die grenzüberschreitende Kollektion seiner Beispiele verrät möglicherweise eine einsetzende Demenz, was bei viel gutem Willen die Fehlsicht auf unsere offenbar allzu komplexe pluralistische Demokratie entschuldigen könnte. Vielleicht.

Wie erklärt man solchen Leuten, dass sie die Körperform und -größe, Alter, Geschlecht, Hautfarbe, Religion etc. einen Schei*dreck angehen und mit wem oder was man ins Bett zu gehen gedenkt, solange sich das alles im gesetzlichen Rahmen bewegt? Man könnte lila sein, in Würfelform und mit einem Harem aus Frauen und Männern jeder Hautfarbe zusammenleben und dabei als bekennender Pastafari an das fliegende Spaghettimonster glauben mit einem semiakademischen Abschluss in altbabylonischen Sternwissenschaften, es hat egal zu sein.

Bei den Teilzeitkriminellen Franz Josef „Ostkohle“ Strauß, Helmut „blackmagic“ Kohl und den anderen kalten Bauern ihrer feuchten Politträume hat sie das doch alles auch kaum interessiert. Bei ihrem Hyperproleten Donald Trump oder ihren blaubraunen Ikonen der ostdeutschen Alternative? Liegt das vielleicht in der identifikationsstiftenden Deckungsgleiche verankert? Sind das Probleme mit den eigenen Wechsejahren? Au Backe.

Lasst Ricarda Lang ihren Job machen. Bewertet sie künftig nach den Ergebnissen ihrer Arbeit, aber nicht am „Tag Zwo“ nach ihrer Wahl und schon gar nicht nach ihrem Gewicht. Wenn ihr schon Frauenkörper mit euren schlichtmichelnden Kumpels abgleichen wollt, taucht lieber wieder ein in Eure gebookmarkten Schmuddelangebote in diesem Internetz, das übrigens viel zu viele ganz offenbar für einen rechtsfreien Raum halten, in dem sie bar jeder Konsequenz freidrehen dürfen, um was auch immer zu kompensieren. Lasst Euch versichern, Freunde des Sonne, dem ist nicht so. Seid im eigenen Interesse froh um die Persönlichkeitsrechte, die wir haben.

Guten Morgen.

PS: ob ich Ricarda Lang gut finde? Keine Ahnung. Ich bin nicht in ihrer Partei und kenne ihre Arbeit nicht. Offensichtlich kann sie sich durchsetzen, den Rest warte ich ab.

Nachtrag: ich finde Omid Nouripour übrigens auch nicht ungeeignet, weil er iranische Wurzeln hat oder dicklich ist. Mir gefällt allerdings überhaupt nicht, dass er ein Palästinenser-Fanboy ist und auch schon zu Boykott und zeichenhafter Stigmatisierung israelischer Produkte aufgerufen hat. Das halte ich persönlich bei einem deutschen Politiker für absolut indiskutabel, hat aber wenig mit seiner Figur zu tun. Baklava mag ich übrigens auch

PS: ob ich Ricarda Lang gut finde? Keine Ahnung. Ich bin nicht in ihrer Partei und kenne ihre Arbeit nicht. Offensichtlich kann sie sich durchsetzen, den Rest warte ich ab.

Bruno SchulzComment