Vom Umgang miteinander.

Heute Morgen ging es um gutes Benehmen. Und das sogar auf Facebook, wo doch inzwischen alle Regeln jeden gedeihlichen Miteinanders aufgehoben zu sein scheinen. Hier, wo jeder querdenkende Schlichtmichel seine noch so stumpfen Diffamierungen Dritter mit einem grotesk fehlinterpretierten Recht auf freie Meinungsäußerung legitimiert wissen will.

Ich reibe überrascht den Schlaf aus den Augen und lese weiter. Zurück also zu den guten Sitten, wenn sie denn auf diesem Kanal schon mal thematisiert werden … über das Türaufhalten zum Indenmantelhelfen.

Meine FB-Bekannte „S.“ weiß in Erinnerungen schwelgend letztere Geste sehr zu schätzen, während die querulante „F.“ als notorische Schwarzseherin im Verhältnis von weissem Mann zu allen Frauen eine weitere Masche zur vermeintlichen Manifestierung eines brachialen Hierarchiegefälles zu erschnüffeln trachtet.

Sie meint krawutzig: „Das Mantelhinhalten macht aus der Frau eine Behinderte. Selten treffe ich die Armtunnel auf Anhieb und hänge dann mit abgeknickten Ärmchen im Jäckchen, wie ein Huhn.“ Sie hat wohl wenig Übung. Oder einen ungeübten Galan. Traurig, wie auch immer.

Richtige Männer wüssten wohl, dass eine Frau fähig sei, ihren Mantel selbst anzuziehen, fehleinschätzt sie das Procedere, wem sonst helfe man denn, eine Jacke anzuziehen? Richtig, Kindern. Sie fragt: „Schon mal einem Mann den Mantel hingehalten? Warum nicht? Weil er ihn alleine anziehen kann. Aber wir Frauen, wir sind ja behindert und brauchen den Mann als Ernährer und Anzieher …“

A Gentleman is just a patient wolf?

Nicht jeder steckt dabei ihr Ärmelende in den eigenen, geöffneten Hosenstall.

Ohje liebe „F.“, ich trage auch Männern Jacken und Mäntel an, Gästen, Kunden, Freunden und die freuen sich bislang alle über die gastfreundschaftliche Geste. Mir geht es nicht anders, auch wenn ich es leider kaum noch erlebe.

Man kann natürlich alles zum misogynen Übergriff deklarieren, wenn man nur wirklich will. Und dennoch sind es für mich gerade die kleinen Aufmerksamkeiten, die Spreu und Weizen trennen in Zeiten der sich anbahnenden Kontaktapokalypse. Ich freue mich schon heute auf postpandemische Zeiten und ein freundlicheres Echtzeitmiteinander. Diesmal mit mehr Wertschätzung, denn ich glaube zu spüren, was wir an einander haben.

Euch noch einen schönen Sonntag.

motiv: „me she now scarcly noticed“, William Heysham Overend (5 October 1851 – 18 March 1898)

Bruno SchulzComment