Fa*cebook

Facebook spielte kurz mit dem Gedanken, Europa zu verlassen und die Reaktionen darauf fallen sehr unterschiedlich aus. Ein „Geh ich halt zu Instagram“ dokumentiert, dass der Diskutant sich selbst in unterkomplexesten Zusammenhängen leicht verstolpert. Da lohnt kein Widerspruch.

Interessanter ist schon eher diese seltsame Brahmanenkaste der ausgewiesenen Social-Media-Heavy-User, mit denen einen hunderte gemeinsamer „Freunde“ verbinden und die den Salonrevolutionären gleich, vom Samtsofa aus zum Sturm aufrufen. Sollen sie doch Kuchen essen? Den gibt es ja nicht einmal. Leute mit mehr als täglichen vier oder fünf Stunden Bildschirmzeit, die jetzt ihr lässig dampfendes „na endlich“ hinterlassen, wie die Straßentöle ihre morgendliche Notdurft auf dem frostkalten Trottoir. So unübersehbar wie überflüssig. Wollen die sich künftig an zentralen Plätzen in den Kapitalen unserer Republik nackig anketten, oder wie planen sie, ihre histrionische Persönlichkeitsstörung weiterhin entfalten zu können? Es ist lächerlich.

Und da waren noch die Schlaumeier, denen das Kommerzielle ja ohnehin schon lange auf die Makrone ging, die 'ihr' Facebook ohne Werbung im Newsstream erleben wollen, um sorglos Kinderbilder zu ventillieren und politischen Sondermüll zu statuieren und die sich über das Microtargeting echauffieren, weil sie offenbar kognitiv nicht zu erfassen vermögen, dass eine Maschine ohne Energie nicht funktionieren wird: „was soll der Schei* in 'meiner' Timeline.“ „Es ist nicht 'Deine' Timeline, Du Idiot!“ Offen bleibt allerdings auch die Frage der Medienreife und ob man in Kenntnis der Defizite den Kanal nicht tatsächlich besser abschalten sollte oder zumindest dessen Zugang durch einen Befähigungsnachweis erschweren müsste.

Fakt ist jedenfalls, wie auch immer man zum Thema Datenschutz steht, es wird zunehmend schwerer wenn nicht fast unmöglich für kleine und mittlere Unternehmen, eine zielgruppengerechte Neukundenansprache zu finden, Kunden zu pflegen und zu halten. Natürlich kann man darüber schimpfen, warum man das Feld amerikanischen Konzernen überlassen sollte. Man sollte allerdings dabei auch im Auge behalten, wie es um die europäischen Angebote steht, denn die russischen und chinesischen Kanäle sind vermutlich keine wirklich schlaue Alternative.

Deutschland schwafelt von Digitalisierung und befindet sich auf dem technologischen Stand der Dörfer im marokkanischen Hohen Atlas. Nein, daran ist nicht die Ampel schuld, das waren Kupfer-Kohl und Merkel, die lebende „Pausetaste“ in Sachen Infrastruktur.

Viele Aspekte der Datenschutzregularien mögen sinnvoll sein. Die Konsequenzen aus ihrer Umsetzung bedürfen allerdings intelligenterer Maßnahmen, oder wollen wir wieder Vertriebsonkels an die Haustürklingel schicken, denn Zeitung, Zeitschrift und TV haben vermutlich auch keine allzu große Zukunft.

Nachtrag: was offensichtlich die Allerwenigsten realisieren wollen ist, dass beispielweise gerade die kleinen und mittleren Webshops in einer Zeit, in der es keine echten Käufer- und Verkäufer- mehr, sondern fast nur noch Impulsmärkte gibt, ohne Meta kaum noch Chancen hätten, ihre relevanten Zielgruppen ohne größere Streuverluste zu erreichen. Das Ergebnis wird sein, dass über kurz oder lang alle nur noch bei Amazon, Otto, Zalando und Co. einkaufen. Wer funktionierende Alternativkanäle kennt, erfrische uns damit, aber erspare uns aber die Vorschläge Suchmaschine und Newsletter, die an dieser Stelle nicht passen oder Dank der DSGVO ohnehin obsolet sind. Wer an dieser Stelle Printmedien, Fernsehen, Mund-zu-Mund, Kino oder Guerilla-Promo erwähnt, muss damit rechnen künftig nicht mehr ernst genommen zu werden.

Bruno SchulzComment