Storytelling

Wer erfolgreich Content produzieren will, darf nicht nur Bilder machen von dem, was war und was gerade noch ist. Er muss vor allem Bilder schaffen von dem, was sein könnte. Doch die Idee will zum Verständnis unterhaltsam moderiert sein. Das Tool dazu heißt „Storytelling“ und ist gerade in aller Munde. Dafür wissen allerdings erstaunlich wenige, worum es eigentlich geht.

„Storytelling“ ist jetzt also der ganz heisse Marketingscheiß? Unsinn! „Storytelling“ war schon immer da. „Geschichten erzählen“. Wir Menschen tun das tatsächlich seit mehr als zweihunderttausend Jahren. Angefangen haben wir damit, als wir das Feuer endlich halbwegs unter Kontrolle bekamen. So konnten wir die gemeinsame Zeit in seinem Schutz bis in die Abendstunden verlängern und die anstrengenden Tagespflichten in Geselligkeit ausklingen lassen. Es entstand Raum für Kultur, für Gemeinschaft, Nähe, Vertrauen und für Zusammenhalt. Wer mit seinen Besten schon mal nach einem langen Abenteuertag nachts an einem knisternden Lagerfeuer saß, um Jägerlatein auszutauschen, weiß genau, worum es geht. Und dabei tut es nichts zur Sache, ob das Lagerfeuer irgendwo in der Prairie lodert oder ein Wirtshaustisch ist im Herzen von St. Pauli: Hauptsache ist, die Kommunikation muss brennen.

Heute steht „Storytelling“ für die Erzählmethode. Die wollte allerdings schon immer mit Bedacht gewählt sein, wenn der dramaturgische Bogen und die Pointen funktionieren sollten. Es geht um die Vermittlung von Know-How. Darum, einen attraktiven Cocktail aus explizitem und implizitem Wissen, also aus Fakten und Erfahrung mit ein paar originellen Zutaten und Tricks so zu mixen, dass die Gäste immer und immer wieder darauf abfahren. Das gelingt mit dem richtigen Leitmotiv, mit starken Symbolen, bunten Metaphern und überraschenden Analogien. Der breiten rhetorischen Klaviatur. Feuer frei aus allen Rohren.

Inzwischen wird Storytelling als Vehikel überall da eingesetzt, wo komplexe Informationen abgesendet werden müssen und angenommen werden sollen. Zum Beispiel in Bildung und Wissenschaft, in der Unternehmenskommunikation, zur Konfliktlösung oder mit großen und anhaltenden Erfolgen im Marketing.

Die gut erzählte Geschichte trennt Spreu und Weizen. Es kommt nicht nur darauf an, was erzählt wird, sondern wie. Dazu bedarf es einer feinnervigen Bestandsaufnahme, einer intelligenten Strategie, einer kreativen Konzeption, geistreichen Witzes und eines unverzichtbar verlässlichen Gefühls für Timing.

Gutes Storytelling braucht Visionen, den vorausschauenden Blick auf ein planbares Ergebnis, sonst verkommt es zur banalen Laberei, zu belanglosem Grundrauschen.

Gutes Storytelling schafft den Content, mit dem sich so viele Unternehmen schrecklich schwer tun. Die sich noch immer nur bebildert dokumentieren lassen, was sie ohnehin schon machen und deren schale Medienwirksamkeit sich nicht selten in der Gefälligkeit oberflächlich modischer Bildkompositionen und -bearbeitungen erschöpft. Weil richtig sein muss, was alle tun? Der Mensch aber ist von Natur aus neugierig. Lässt sich gerne unterhalten und überraschen. Gut zu wissen, was ist. Besser ein Bild davon zu haben, was sein könnte. So entstehen Wünsche, Träume und Bedürfnisse. Da bleiben die Leute dran. So wächst Bindung. So entsteht Geschäft.

Bruno SchulzComment