Layla in Bangladesh

Am Wochenende habe ich den Film "Was tun" gesehen, eine Dokumentation des Schauspielers und Regisseurs Michael Kranz zu seinem subjektiven Verständnis vom „Helfen“ und über die entrechteten Mädchen und Frauen in der Zwangsprostitution von Bangladesch, wo es diese eigentlich ja nicht geben sollte, da sich nach einer bizarren regionalen Formel niemand auf weniger als zwölf Meter den Huren nähern dürfte. Manche scheinen das mit der Distanz nicht so genau zu nehmen, was das kriminelle und brutale „Geschäft“ so lukrativ macht. Glaubens-Sache.

Kranz startet sein mehrfach ausgezeichnetes Projekt, als er im Kino einen älteren Film im gleichen Sujet sieht. Seine Schlüsselszene ist ein Interview mit einer Vierzehnjährigen, die in der Hölle von Faridpur zur Sexarbeit gezwungen wird. Überraschenderweise beginnt das Mädchen selbst, bemerkenswerte Fragen zu stellen. Fragen, die Kranz nachdenklich ins Verhältnis setzen zum helfenden Handeln, noch getriggert durch ein mitgefilmtes Haustürgespräch mit zwei Wachturmspinnern, moralblinden Realitätsverweigerern von den Zeugen Jehovas, eine nette, einleitende Anekdote, allerdings ohne erwähnenswerte Bedeutung für die Wirkkraft der nachfolgenden Dokumentation über die bedrückenden Erfahrungen in der Ferne von Faridpur und in der Nähe zu sich selbst.

Kranz macht sich sieben Jahre nach dem ersten Film auf die Suche in bewegten und bewegenden Bildern. Er wird in allen seinen Themen fündiger, als er es anzunehmen wagte und es jeder nüchterne Drehplan zulassen könnte. Die Antworten auf seine Fragen sind größer und ernüchternder zugleich. Bitterer, aber auch hoffnungsvoller, bis hin zu einer erstaunlichen Formel, was sich mit dem spontanen Aufriss von nur siebenhundert Dollar und einer Kamera alles durchsetzen lässt. Wenn man denn will.

Bitte anschauen. Und danach vielleicht auch noch einmal darüber nachdenken, was Menschen dazu bewegen kann, Schmierenstücke wie „Layla“ auf dem Rücken der entrechteten Frauen dieser Welt überhaupt zu produzieren und sie dann auch noch zum Gradmesser ihrer demokratischen Freiheit deklarieren zu wollen. Und über die Zigtausend zerebral Entkernter die glauben, in angesoffen rhythmischer Schunkelextase diese absurde Moralblindheit als Rede- oder Meinungsfreiheit zu verteidigen, Gartenzwergcheguevaras in ihrer provinziellen, schädelbräugeschwängerten Festzeltrevolution.

Schließlich fällt mir noch eine Frage aus der Doku an einen der surreal empathiefreien „Einreiter“ ein: „wie wäre es, wenn das Mädchen aus deiner Familie stammte?“ Zu dieser Projektion war das verkommene Subjekt nicht wirklich in der Lage. Jedenfalls nicht in Relation zum eigenen Engagement. Allerdings scheinen auch Frank und Brigitte Mustermann die offenbar nur vermeintlich leichtgängige Abstraktion - Bierlaune hin oder her - nicht wirklich meistern zu können.

Und der CDU-Mann und Schlagerfan Sepp Müller, MdB, freut sich über den deutschen Nummereinshit. Prost.

Nachtrag: ich habe übrigens mit keinem Wort geschrieben, den Song zu verbieten. Aber davon, ihn überhaupt zu produzieren, bzw. in zu verteidigen, wie eine Löwin ihr Junges. Nicht Zensur, sondern subjektives Weltbild. Es ist ein Desaster.

Bruno SchulzComment