"DONKEYOTE" - ein Mann lebt seinen Traum.

Ich habe gestern einen grandiosen Film gesehen, ein wahres Meisterstück, das noch immer nachwirkt. Schon wieder auf Arte. Eine Dokumentation des Regisseurs Chico Pereira über den dreiundsiebzigjährigen Manolo. Der ist schon sein ganzes Leben lang in der südspanischen Natur unterwegs und in den letzten zehn Jahren immer zusammen mit seinem besten Freund Gorrión. Auf Deutsch übersetzt heisst das ’Spatz’ und der ’Spatz’ ist ein andalusischer Riesenesel, der eine Heidenangst vor Wasser hat.

Manolo plant eine allerletzte große Wanderung. Er will den „Pfad der Tränen gehen“. Die Spur der Vertreibung der Cherokeeindiander nachspüren. In den USA. Manolo war noch nie im Ausland, hat aber angefangen, Englisch zu lernen. Per Kopfhörer und Nachsprechen. Der Esel muss mit. Und Geld gibt es auch keins. Raum für Komplikationen, die den Pragmatiker aber kaum irritieren. Genauso wenig wie seine chronische Arthritis oder die Bedenken seines Kardiologen, der ihm rät, nach den beiden überstandenen Herzinfarkten keine unbegleiteten Spaziergänge mehr zu unternehmen. Das Gesicht des Arztes ist goldwert, als Manolos Tochter von dessen regelmäßigen, mehrtägigen Ausflügen ins wilde Hinterland berichtet. Mit Übernachtungen unter freiem Himmel selbstverständlich und ohne jeden Kontakt zur Außenwelt. Manolo besitzt zwar ein Mobiltelefon, aber Details wie Notrufnummern kümmern ihn wenig. Solch profaner Schmonz kann einen großen Geist und ein wildes Herz kaum beirren. Er erzählt viel lieber noch eine Geschichte. Ob den beeinträchtigten Kindern, die von seiner Tochter unterrichtet werden oder den Kneipengängern, die darauf ein stimmungsvolles Arbeiterlied zur Gitarre beisteuern.

Auf seinem Weg findet Manolo in etlichen ‚Prüfungen‘ heraus, dass die unverbindlichen Mitarbeiter von Coca Cola alle ‚Arschlöcher‘ sind und auch, dass der Weg das eigentliche Ziel ist. Und zu unserem großen Glück nimmt er uns dabei mit, bis hin zu der empathischen Erkenntnis, dass er seinem Freund die Einsamkeit der Schiffspassage nicht antun möchte. Insbesondere nachdem der ihm zuliebe seine Hydrophobie so weit überwunden hat, um mit ihm gemeinsam in den Wellen des Atlantiks zu stehen.

Der Film hat international jede Menge Preise abgeräumt und das ist auch kein Wunder. Ein Labsal für das allzu oft beleidigte Auge. Eine herausragende Miniatur Poesie, sensibel eingefangen, leise, ruhig, großartig.

Und übrigens: der Vergleich zu Cervantes ‚Don Quichote‘ und dessen Rosinante mögen für eine oberflächliche Sicht naheliegen, treffen das Format aber nicht annähernd. Manolo ist von bemerkenswert klarem Verstand, die Dinge nach tatsächlicher Bedeutung und Gewichtigkeit einzuordnen. Und so wirkt er in aller Bescheidenheit seiner Mittel und in seiner unaufgesetzten Demut menschlich reich, selbstverständlich und angekommen und in keiner Sekunde lächerlich.

Anschauen!

202212Bruno SchulzComment