RIP Maxi Jazz

Gute Reise.

Nachdem gestern das Timing in unserer Heiligabendküche wider Erwarten trotz zweier, vegetarischer wie carnivorer Menüstrecken passte wie der Arsch auf den Eimer, alle Teller eindrucksvoll garniert den Pass verlassen hatten, die Küche zu und alle Generationen satt und glücklich waren, las ich zwischen Digestif und neuem Brettspiel (eine unbedingte Empfehlung: „lass die Kirche im Dorf“) vom Ableben Maxwell Alexander Frasers, den meisten unter uns eher als 'Maxi Jazz' bekannt. Richtig, 'Faithless', 'Insomnia', 'God is a DJ' und noch einiges mehr: nach den Specials in der vergangenen Woche, geht schon wieder eine Ära für mich zuende. Die Einschläge kommen näher.

Mein Beutekind, soeben volljährig, schaut mir über die Schulter und fragt mich, wer das denn sei. Sie steht auf „Anne May Kantereit“ und bedauert uns um unsere stumpfe Ignoranz, das Gewicht ihrer eigenen, übernatürlich wichtigen, weil erstmalig wirklich tiefsinnigen Barden nicht ganz so zentral in unserem Leben annehmen zu können.

Die Frage, was 'Faithless' sei, hätte so übrigens auch von meiner Mutter kommen können und die ist immerhin schon dreiundachtzig Jahre alt. Sie selbst steht auf Mozart und Leonard Cohen. Bei letzterem harmonieren wir allerdings ausgezeichnet. Zwischen Helena und Winni liegen rechnerisch zwei Generationen und musikalisch Welten.

Das Zeitfenster einer Breitenwahrnehmung von Kultur bleibt bis auf wenige überdauernde Ausnahmen eher schlank. Bei den Künstlern, wie den Wahrnehmenden. Ausgenommen seien natürlich jene, die sich den Fetisch einer lückenlosen Chronologie von Populärkultur zur Lebensaufgabe gemacht haben.

Dazu fällt mir gerade der legendäre 'Unitas-Quiz' aus Barry Levinsons Film „Diner“ ein, in dem der junge Eddie Simmons, gespielt von Steve Guttenberg, in den späten Fünfzigern bereit ist seine Verlobte zu heiraten, sobald diese fähig sei, einen Test aus einhundertvierzig Fragen zum Thema Baseball fehlerfrei zu bestehen.

Barry Levinson erklärte dazu: „When I wrote the movie 'Diner', The Quiz did not contain any 'Johnny Unitas questions'. At the end of 1959 every fan would have known all of Unitas's stats. He had been around for only a couple of years but had led the Colts to two national championships. The legend of Johnny Unitas was just beginning. What follows is the ultimate Unitas Quiz.“

Zauberwort: 'Relevanz'. Und möglicherweise noch die Erkenntnis daraus von Endlichkeit. Auch und gerade der eigenen.Ein muffigmodriger Geruch, den man lieber gleich wieder mit süßlicher Melancholie abdeckt. Bei mir ist das der Technosample, der auf die hymnisch besungene, pharmakologisch bedingte Schlaflosigkeit folgt. Und die Erinnerung an fabelhafte Partymarathons.

Mit Faithless kam mein endgültiger Umstieg von Vinyl auf Playlists (eine Umkehr ist nicht ausgeschlossen). Das markiert möglicherweise noch zusätzlich die subjektive Bedeutung.

Und jetzt?

Keine Ahnung, außer:

„Rest in Peace Maxi Jazz, gute Reise!“

Mal sehen, was noch kommt.

202212Bruno SchulzComment