Forwardism

'Forwardism'

Zur Zeit wird mein Newsstream geflutet von Beiträgen mit dem griffigen Titel und Hashtag 'Forwardism'. Was zur Hölle ist das denn nun schon wieder? Habe ich alte dicke weisse CIS-Hete schon wieder was falsch gemacht? Boomer, Boomer? Irgendwie und irgendwo hat man das alles ja schon mal gehört. Es kommt mir zumindest geläufig vor. Merkwürdig selbstverständlich.

Wer den Begriff 'Forwardism' googelt, hat das Gefühl, mit seinem Kinderdreirad mitten auf eine BMW-Teststrecke im verdichtet rasenden Hochbetrieb geraten zu sein, wo einem die bayerischen Bomber nur so um die Ohren fliegen. Da hat eine Agentur mit ihren SEO-Sekundanten offenkundig ganze Arbeit geleistet und alle nüchternen Quellen weggebügelt.

Dazu konvertieren willfährige Designmagazine die als Beiträge getarnten Kampagnenschaltungen ihres Kunden noch in flotte Definitionen: „‘Forwardism’, a movement made up by BMW, represents the pursuit of excellence in design, technology and luxury as an ode to their ever-evolving style.“

Das ist er also schon wieder, dieser leidige esoterische Werbersprech, der aus den schweren Stiefeln für den ökologischen Schuhabdruck federleichte, elegante, rotbesohlte Louboutins zaubern will. Stillstand als Sprungsimulation. Konsolensport mit reddotprämierter Gerätehülle.

Der Konzern selbst sieht sich am liebsten so: „Der Begriff 'Forwardism 'steht für die Freude, die man empfindet, wenn man die Zukunft sieht und fühlt, bevor sie erschaffen wird. Es geht darum, immer wieder Konventionen infrage zu stellen, um eine bessere Zukunft zu gestalten. Wer das liest, genießt den Nachhall über dem die entscheidende Frage schwebt: „was haben die geraucht?“ Hallo? BMW ist Automobilindustrie. Der Quandtladen.

Und selbstverständlich gab es auch schon eine gewokewerkte Audioreihe mit den - ACHTUNG! - 'Gestaltern unserer Zukunft', darunter geht es nicht. In 'THIS IS FORWARDISM' haben die „bayerischen Motorenwerke“ ihre als 'Gäste' umdeklarierten Neuzielkunden also mitgenommen auf einer Reise durch die Zeit: „Geschichten für und über all diejenigen, die sich bewegen wie das Wasser, die Veränderung bringen wie der Wind und die immer wieder aufgehen wie die Sonne selbst.“

Gemeint sind damit schon mal nicht die Elenden, die sich beim alten Quandt als Zwangsarbeiter für einen Kanten schimmeliges Brot sprichwörtlich den Arsch abschufteten und sich nie 'wie' Wasser bewegten aber 'für' Wasser, um die Führerknechte mit kriegsrelevantem Mist auszustatten und die empathiearmen Industriellen maßlos zu bereichern.

„Bewegen wie das Wasser“. Richtig, da schmeckt man das Quietscheentchen Bruce Lee durch, dem alten Prügelkungfuzianer, was der Textstratege von den Hamburger Kollegen möglicherweise mit Konfuzianer verwechselt haben könnte:

„Be Water, My Friend.

Empty your mind.

Be formless, shapeless, like water.

You put water into a cup, it becomes the cup.

You put water into a bottle, it becomes the bottle.

You put it into a teapot, it becomes the teapot.

Now water can flow or it can crash.

Be water, my friend.“

Fragmente eines deformierten, fünfzig Jahre alten Zitates machen jede Irrsinnscollage als dynamischen Kunstbegriff irgenwie authentischer, scheint es den verantwortlichen Gestalter durchdrungen zu haben.

Ach egal, „Asiasophie“ geht immer. Ob Zen oder Pattaya, scheißegal, Hauptsache was mit Stäbchen und süßsauer und es juckt nicht danach.

Nach nur neun Podcasts war der Spuk übrigens schon wieder vorüber wegen des großen Erfolges und das megawoke Laberformat erlebte eine eilige Transformation zum fürderhin 'spektakulären Event':

„THIS IS FORWARDISM“: So blickten BMW & AD Germany am 13. Oktober 2022 in Düsseldorf in die Zukunft von Kunst, Design und Technik und luden dazu zum Event mit 'spannendem' Austausch in die Sammlung Philara, unternalt von Kulinarik und Kreation.

Da kommt man glatt ganz durcheinander, bei soviel Fast-Forwardism. Moderiert wurde das magische Druidentreffen jedenfalls von Oliver Jahn. Der ist 'Deputy Global Editorial Director der AD' - so steht das tatsächlich mehrfach schamfrei und gelöst von allen Selbstzweifeln im Artikel. Man umkreist sich in ruheloser Selbstfaszination. Das Licht ist dem Licht ein Licht.

Wer ein bisschen tiefer gräbt, findet in einem sich selbst überlebenden „Cyber Nations Wiki“, einer Art Plattform für picklige, internetsüchtige Stechapfelraucher und Fliegenpilzliebhaber einen Eintrag vom 20. Oktober 2008, dem Gründungsdatum einer tatsächlichen, authentischen, klitzekleinen 'Forwardism-Bewegung', deren Initiator den wenig missverständlichen Titel „King Dope“ trug. Vielleicht eine Art Vorläufer eines 'Deputy Global Editorial Director'… wer weiß das schon so genau. Der Herr Dope statuierte seine Formel von Ewigkeitswert: „Forwardism is a ideology about uniting people through the use of thinking, doing and moving foward while bearing in mind the lasting effects.“ Aha!

Das alles klingt nach heisser Luft, die in einem hanseatischen Kreativinkubator Jahre später und für sehr viel Geld zu warmer Flatulenz gedieh und da sind wir schon beim Punkt, nota bene:

Ideengebären gerät nicht selten wie Furzen. Es ist eine Reaktion aufblähenden Content. Man darf nur nicht zu sehr pressen, sonst kommt nicht mehr als Scheiße dabei heraus.

202212Bruno SchulzComment