neue Armut

Die ZEIT kobert wieder hart um jeden zu bezahlenden Online-Artikel wie einst die Alleinunterhalter vor den Stripschuppen auf der Reeperbahn. Diesmal sogar mit einer müden Pointe auf Kosten des eigenen Stammpublikums: die Lehrer. Eine der wenigen Zielgruppen, die schon immer die Zeit hatte, die mitunter opulente Wochenzeitung bereits vor dem nahenden Wochenende vollständig aufzulesen. Ich hatte von der Schnurre schon an anderer Stelle lesen dürfen, wo mancher mit launigen Beileidsbekundungen lustig sekundierte, sich allerdings auch der eine oder andere Westentaschenrobinhood nicht entblöden mochte, der bewitzelten Pädagogin beizuspringen, um die eigenen politicial correctness mit erigiertem Zeigefinger zu exponieren und Respekt einzufordern für ihren harten Alltag. Wir würden sie doch alle gar nicht kennen, könnten dadurch womöglich die Härten ihres Schicksals nicht beurteilen und hätten ja nicht einmal den Artikel gelesen. Das hatten die natürlich selbst auch nicht, aber was tut das schon zu Sache wenn man jede Hypothese zum Wirkungsfeld der eigenen Seligsprechung zu verklären gewillt ist. Ich mochte bei allen Diskussionen, was alles bei Wochenarbeitszeiten von Lehrkräften einzurechnen sei und was nicht, weder auf die stereotypen Diskreditierungen eingehen, noch auf die lächerliche Mythenbildung um die neuen Helden der Arbeit. Wohl aber auf das Durchschnittseinkommen von Familien in Deutschland, was die davon noch an Miete zahlen und wieviel die wohl im Monat für den Urlaub zurücklegen können, wenn der mal nicht nur mit dem Finger im Schulatlas stattfinden soll. Die Diskutanten haben jeden Maßstab verloren und debattieren offenbar nur noch um den Krawall der Debatten willen und das eigene gute Gefühl, vermeintlich Recht zu haben oder dafür zu sorgen. Guten Morgen Social Media. Wenn das so ist, lache ich lieber über das flache Lehrerwitzchen, konduliere gepflegt und verzichte weiterhin auf den Artikel, der mich noch weniger interessiert, selbst als die banalen Analogien von umfallenden Reissäcken in China oder den Bussen, in den die Leute sitzen …

202301Bruno SchulzComment