"Woher nimmst du eigentlich die Zeit?"

Jetzt bin ich seit gefühlt mehreren hundert Jahren in den sozialen Medien unterwegs und sehe mich regelmäßig mit dieser Frage konfrontiert. Sie ist eine der fünf Säulen sophistischer Querulanz auf Facebook neben "dem Sack Reis" oder den pauschalen "*ism"-Vorwürfen, die ich an dieser Stelle einfach mal als den einen ebensolchen zusammenfassen mag.

"Woher nimmst du eigentlich die Zeit?" also. Adhoc zwei Anmerkungen dazu: woher, maulende Myrthe, nimmst du erstens eigentlich selbst die Zeit, aber vor allem das Recht, die Threads zu allem dich nicht interessierenden und darum offenkundig extra triggernden Content mit diesen Tante-Trudchen-haften Vorwürfen zu kontaminieren und dessen Autoren unterschwellig zeigefingernd zurechtzuweisen?

Und, zweitens, warum nimmst du eigentlich an, dass sich alle Menschen gleich schwertun, Themen jedweder Art gedanklich zu durchwirken und die Ergebnisse halbwegs lesbar darzubringen. Es muss sich doch nicht jeder für ein halbes Leben in eine bhutanische Klosterburg im östlichen Himalaja zurückziehen, um ein paar Gedankensplitter zusammenzufügen und diese in einer schlichten Social-Media-Miniatur zu verschriftlichen.

Das Zauberwort heisst Routine. Im Schreiben, aber auch im Denken. Man kann das trainieren, so wie vieles andere auch. Und dafür andere Dinge lassen. Ich tue mich dafür in anderen Disziplinen schwerer. Schlimm? Nö, eher normal. Da muss wohl jeder die eigenen Prioritäten setzen.

Motiv: Jon Tyson für Unsplash

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