Radlerhose.

Die Radlerhose ist ein bemerkenswertes Detail in der Präsentation des Gesamtkunstwerks vom Equipmentsportler. Der ist ein spätberufener Besserverdiener, dem die Harley seines Zahnarztes zu vulgär ist und nur seine lästige Tierhaarallergie das Engagement im Shandur-Polo verbietet. Den mächtigen Leib gestaltet der Silberrücken wie eine Presswurst im neonfarbenen Leibchen zur farbenfrohen Litfasssäule als bezahlender Gratiswerbeträger für verhaltensstarre Großkonzerne, die das Verbrennen ihrer Werbekohle im Sportmarketing par ordre de mufti noch immer für total innovativ befinden. Weil der Alte halt so gerne Pokale überreicht, begleitet von knapp geschürzten Assistentinnen. Klapps.

Equipmentsportler wählen ihre Sportart nicht nach körperlichen Gegebenheiten, motorischen Talenten oder gar der subjektiven Bewegungsvorliebe aus. Nein, es geht exklusiv um die skalierungsfrei brieftaschengesteuerten Upgradeangebote auf der Ausstattungspalette von Outfit und Gerät bis Gadget, Equipment eben. Sporttaucher findet man da, Sportschützen, Fliegenfischer, Motorsportler und unter anderem eben auch den Hobbytourdefranceler.

Hineingeschossen in sein atmungsaktives Hightechtextil wie in ein Ganzkörperkondom, betritt der Protagonist die Zielgerade seiner persönlichen Avenue des Champs Elysées, das prominenteste Eiscafé seines nordhessischen Klein- und Mittelzentrums und dessen vordere Außenbestuhlung ist sein Podest. Verbissen setzt er mit letzter Kraft den Epilepsiehelm ab, grient in die Sonne, dehnt den geschundenen Leib und präsentiert dabei den unvorbereiteten Anwesenden auf Augen- und Nasenhöhe sein Gemächt im knappen Beinkleid als plastisch mahnende Erinnerung an die Blumenkohlgeschwüre der armen Flussfische in den siebziger Jahren. Nicht selten trägt er dazu den "Henriquatre", auch als Gesichtsf*tze bekannt, des Birkenstockundpollunderstereotypsozialkundelehrers aus der gleichen Ära, aber in dynamischer Aufbereitung. Schön ist das alles nicht. Und es ist auch kein Wunder, dass Menschen verzweifelt zunehmend in anderen Geschlechtern eine neue Persönlichkeit suchen.

Das ist der dynamische Archetyp seiner Kohorte, für den wir Abfünfzigjährigen kollektiv soziologisch stümperhaft als ‚Boomer‘ in Sippenhaft genommen werden.

Von Kohorten übrigens, die für ihre Aktivitäten ebenfalls auf die abgenickte Ausstattung ihrer Echokammern setzen. Man braucht schon den Fjällräven

KÅNKEN zum Transport des Markensekundenklebers, um sich bei seinen Selbstbefestigungsmoves stylish auf dem Asphalt in Szene bappen zu können.

Oder vielleicht einen bauchfreien Netzhautablöser, zur Demonstration, was eine überzeugte Aktivistin mit einer furchtlosen Durchsetzungsaktion von Body Positivity im öffentlichen Raum anrichten kann.

Was ist da besser, was ist schlechter. Ich finde das ja alles nicht so richtig super, aber wer bin ich schon, der ich nicht einmal ein Standuppaddlingdings besitze, um ein Binnengewässer und die darin befindlichen Lebewesen zu kontaminieren. Ob die davon Blumenkohlgeschwüre bekämen? Vielleicht, keine Ahnung. Jetzt bin ich irgendwie vom Thema abgekommen. Macht aber nix, wir sind hier auf Facebook. Da scheint es ja inzwischen Pflicht zu sein, im Thread die eigentlichen Beitragsinhalte vollkommen aus dem Blick zu verlieren. Gedankliches Vagabundieren, ich mag das.

Warum also schreibt der Beisenherz eigentlich solche Memes? Ist das schon die Angst des Berufjugendlichen vor der Passage nach dem Gipfel, auf der altersdemographischen Route durch die Boomerei zum finalen Abstieg? Stimmt er in die „Boomer-Boomer“-Schmähgesänge mit ein zur katalytischen Selbstreinigung, als Ablass, oder macht ihn das zum Peter Pan, der nicht mehr altern kann, nur weil er das nicht will? Ich bin mir da nicht sicher, drücke ihm aber herzhaft die Daumen.

Schönes Wochenende.

Bruno SchulzComment