Silvester ist immer.

"Jeder Vorsatz ist ein Aal und
leichter zu fassen als zu halten."

Das meinte der deutsche Augustiner-Barfüßer Abraham a Sancta Clara bereits Ende des 17. Jahrhunderts und die Metapher gefällt mir ausgezeichnet.

Heute früh lese ich bei meinem Facebookfreund und inzwischen realen Bekannten Jan C. Klein-Zirbes von dessen erfolgversprechenden Nikotinentwöhnung. Mein Glückwunsch dazu. Von Herzen.

Sofort hatte ich meine eigene Entschlußfassung dazu vor Augen und outete mich im Thread zu seinem Beitrag kommentierend als seit inzwischen 20 Jahren "rauchfrei". Einen Rückfall halte ich heute für nahezu ausgeschlossen.

Den Schnitt machte ich tatsächlich im Jahr 2003 in Ulaan Bataar, der Hauptstadt der Mongolei, wo ich mich zu diesem Zeitpunkt aufhielt, um in einem Projekt der internationalen Entwicklungshilfe mitarbeiten zu dürfen.

An einem klirrkalten Morgen mit gemessenen, kontinentalklimatischen 40 Grad Celsius unter dem Gefrierpunkt, machten wir einen Ausflug zu einem jener grobgeschnitzten Denkmäler sozialistischer Völkerfreundschaften hoch über der Stadt. Die letzten fünfhundert Meter Wegstrecke ging es steil bergan auf Treppenstufen, die alle Neufertschen Vorschläge zur idealen Treppenplanung für eine bequemen Begehung verhöhnten. Es kam eher einer ungesicherten Erstesteigung eines bislang unangetasteten Siebentausenders aus der zweiten Reihe im chinesischen Himalaja ohne jede Infrastruktur gleich. Oben angekommen, fühlte ich mich so fertig wie Brotsuppe und erkannte augenblicklich, dass meine konditionelle Verfassung für einen noch nicht einmal Vierzigjährigen kaum kleidsam wirken mochte. Keuchend, dampfend, wie ein altes Schulpferd nach einem scharfen, winterlichen Ritt.

Und darum vermachte ich sofort alle meine Zigaretten nebst Reservepackungen und der heimlichen Reserve der Reserve, wie auch den Nottabak zum Selbstdrehen und alle Feuerzeuge den nicht schlecht staunenden, umstehenden Einheimischen: "Basta! Jetzt ist Schluß! Sabbat!".

Und siehe da, es ging ganz leicht. Und das nicht nur, weil ich es wie Mark Twain schon mehr als fünfzig Mal getan hatte.

Es wirkt tatsächlich bis heute. Gelernt habe ich für mich, dass ich besondere Entscheidungen am besten mit besonderen Umständen verbinde. Denn so entsinne ich mich auch leichter der Ursachen. Und dass es dazu keines Jahreswechsels bedarf. Silvester ist jeden Tag. Wenn man wirklich will.

Motiv: meine Wenigkeit vor dem "Chez Bernard" in Ulaan Bataar am 31. Januar 2003.

Bruno SchulzComment