Abputzen.

Abputzen.

Bislang war ich in den sozialen Medien ja vor allem empfindlich gegen die übliche rechte und rechtskonservative, schlichtmichelnde Rhetorik in den Threads zu nahezu allen, auch nur annähernd gesellschaftsrelevanten Beiträgen jenseits von Tierfotos und aller stumpfer, weil kontextloser Konsum- und Reiseprotzerei.

Wer gefühlt jeden zweiten Post mit „die Ampel muss weg!1!!1“ anbellt, oder mit dem üblichen Progamm aus nur wenigen, immergleichen Hohlformeln befleckt, kann getrost entsorgt werden, weil das Aufkochen argumentationsbefreiter Haltungshohlformeln ähnlich konventinellem Industrietoastbrot schmerzhaft aufbläht ohne echten Nährwert beizutragen. Möglicherweise kommt daher auch die schlichtschöne, volkstümliche Analogie „dumm wie Brot“. Wer weiß das schon.

Leider pulverisiert sich das bitter nötige Gegengewicht derzeit selbst. Eine entgegen jeder Eigenwahrnehmung übersichtliche, 'hippe' Gemeinde von selbstberufenen, neunmalklugen Laieninspekteuren durchforstet die Kanäle, um zu jeder auch nur scheinbar passenden Gelegenheit selbstgefällig im Bewusstsein sakrosankter Universalgelehrtheit - Dunning und Kruger grüßen schüchtern - die eigene Tugendhaftigkeit zu exponieren.

'Virtue Signaling': zunehmend in verkürzten Meinungsschablonen, die sich immer besser im Kanon kläffen lassen, desto knapper der Refrain. Vor allem als Chor, was gut ist für das niedliche Seelenheil einer dauerwunden Filterblase, die die Konturen ihrer Notgemeinschaft zunehmend durch Ausgrenzung, Stigmatisierung oder gleich reichweitengestärkte Diskreditierung des Gegenübers nachzeichnet und definiert, aber jede sinnstiftende, weil kontroverse Debatte danit erstickt.

Ich bin die schwachbrüstigen Kommentare müde à la „du schreibst Mist“ ohne jede inhaltlichen Bezüge oder in Ermangelung aller Sachkompetenz. Insbesondere, wenn der schnelle Bick auf das Profil des Verfassers - „irgendwas mit Kommunikation“ (Eigentestat: „unbeschreiblich“) verrät, dass es um die originären Geistesleistungen nicht so gut bestellt zu sein scheint. „FckPtn“, „AfD Verbot jetzt“, „Merz verhindern!“: alles richtig und doch in ihrer schlichten Plakatierung nur Beleg der eigenen Unfähigkeit, Substanzvolleres beizutragen, als die eigene Litfassfläche. Refrains reflexkläffen. Ergänzt von … Tierbildchen. Ganz wie der „Klassenfeind“. Im Herzschmerz sind sie alle gleich.

Und da gibt es noch diese seltsame Kaste überstehender Kryptorchiden, die ihre Vierzig längst überschritten haben, ohne jeden Anschluss zu behaupten. Boomeriger als alle Boomer in ihrem kläglichen Bemühen sich im Repetieren fremder, vor allem generationenferner Standards einen Ablass zu erschleimen, dem banalen aber ständig vehement vorgetragenen Stereotyp nicht zu entsprechen. Sie erinnern an die alten Gockel deren altersentgleisende Form nicht so recht mit der Rockstar-Size-Zero-Jeans harmonieren mag, die alles Peter-Pan-Syndrom bestätigt.

Zahnärzte und Steuerberater fahren ab diesem Zeitpunkt sündteure Custom-Harleys, besuchen die 17. Abschiedstour der Rolling Stones mit Zweitausenddollarlederjacken, ebenso teuren Eintrittskarten und trennen sich für die promiske Assistentin von Weib und Familie. Den freiberuflichen Universal- und „Kommunikations“-Experten, von denen in meinem Text die Rede ist, sind die Ärmchen dazu etwas zu kurz geraten, sie wollen sich rebellisch pöbelnd Gunst erschreiben, für das kleine „gut gemacht“. Dampfend peinlich, wie Schäferhund Rex nach seinen Obedience-Übungen auf dem Hundeplatz in der Provinz. Diskussion? Unerwünscht.

Also? Abfahrt. Ich schmeisse diese Dünnbrettbohrer ab sofort kommentarlos raus, um künftig keine kostbare Energie mehr auf Leute zu verschwenden, die mein Wohnzimmer betreten, um ihre jämmerlich konditionierten Gedichtchen abzukotzen, als wollten sie mein Profil beifallbettelnd für Ihresgleichen markieren. Liebe Leute, sucht Eure Bahnhofsklappe woanders.

Auseinandersetzung? Fehlanzeige! So kann man nichts verändern und verbessern, schon gar nicht sich selbst.

Tschüss.

Bruno SchulzComment