German Betroffenheit.

Der Deutsche schaut gern sauertöpfisch betroffen drein. Er steinmeiert rührselig selbstbesoffen im Kollektiv und genießt den kurzen Orgasmus dampfender Gruppenintegrität, bevor er wieder in Ignoranz dahindämmert und sich gewichtigeren Dingen zuwendet. Sedierendem Konsum zum Beispiel.

Gestern hatte er wieder einmal Gelegenheit dazu. Gedacht wurde diesmal Hatun Sürücü. Die junge Kurdin wurde vor nunmehr neunzehn Jahren Opfer des Steinzeitpatriarchats ihres Elternhauses. Ausgeknipst allerdings nicht im Ziegenstall am Arsch der Welt, sondern mitten in Zentraleuropa, das seine, als Monstranz vor sich hergetragene Moral noch nie so recht behaupten mochte. Im Karneval der Kulturen. Wie will man Menschen in etwas integrieren, das man so wenig zu schützen bereit ist? Stattdessen ergeht man sich in routinierter Ergriffenheitsgestik, schulterklopfend kreiselnd, um schnell zurück in den Alltag zu finden.

Hat das jetzt eigentlich was gebracht? Wenn man aufmerksam die Statistiken durchnimmt, sind durchaus Zweifel angeraten. Allein in Deutschland starben 2022 laut Zahlen des Bundeskriminalamt mindestens einhundertdreiunddreissig Frauen durch Gewalt in der Partnerschaft. Das sind bald zehn Prozent mehr als 2021, darunter mindestens sieben bis zehn dieser sogenannten 'Ehrenmorde'. Letztere sind so schwer zu greifen, da man hier offenbar kaum ein Verhältnis dazu finden möchte. Bis 2009 gab es den Begriff 'Ehrenmord’ nicht einmal offiziell. Erst da wurde er in den Duden aufgenommen. Nach vier Gedenkjahrestagen für Hatun.

Deren Drama ist sogar verfilmt worden und viele delektieren sich an den exotischen Grausamkeiten, wie an einem Autobahnunfall auf der schmuddelbewetterten Gegenfahrbahn, während sie ihren kultivierten, Arsch wohlig schaudernd in die Sitzheizung kuscheln. Man hat es an der nächsten gedanklichen Ausfahrt bereits erfolgreich verdrängt. Bis zur gesichert wiederkehrenden Betroffenheitsspastik, so ritualisiert wie Weihnachten und Silvester.

„Nie wieder“? Ja, so ein Blödsinn! Wie soll man daran glauben in einem Land, in dem schon wieder jüdische Mitmenschen in die nächste stationäre Aufnahme gedroschen werden wegen ihres Glaubens und den Tätern kaum spürbare Sanktionen drohen. Wie ich gestern las, darf der aggressive Knabe und Hamasadorant nicht einmal exmatrikuliert werden, obwohl er jeden Nachweis mangelnder Hochschulreife eindringlich belegt hat. „Freie Universität“, man möchte leise weinen.

Bruno SchulzComment