Schützt den Wortschatz!

Schützt den Wortschatz!

Der Wortschatz ist die Summe aller Wörter, die eine Sprache zu einem bestimmten Zeitpunkt in Gänze kennt, oder aber die eine einzelne Person in seinem Repertoire aus aktivem Sprechen beziehungsweise passivem Verstehen versammelt.

Vorgeblich kennt der Wortschatz der deutschen Standardsprache etwa fünfundsiebzigtausend Wörter. Der deutsche Gesamtwortschatz wird allerdings, je nach Quelle und wie gezählt wird, auf dreihunderttausend bis fünfhunderttausend Wörter oder Lexeme, also bedeutungstragende Einheiten innerhalb einer Sprache, taxiert.

Die Dudenredaktion überschlägt den aktuellen Wortschatz der deutschen Alltagssprache auf etwa fünfhunderttausend, den zentralen Wortschatz darin auf etwa siebzigtausend Einheiten.

Wörterbücher wie der Duden oder auch das „Deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm“ sind allerdings unvollständig, weil sie weder die Fachwortschätze aus besonderen Disziplinen berücksichtigen, noch sprachliche Neubildungen oder Ableitungen und Komposita, zu der die deutsche Sprache außerordentlich befähigt ist, weil diese sich bei Kenntnis der Segmente von allein erfassen ließen. Ich bin mir da nicht immer sicher.

Der Gesamtwortschatz ist demnach ergo erheblich größer. Da scheint die geschätzte Zahl fünfhunderttausend doch ziemlich konservativ angesetzt. Mit allen Fachterminologien sollten leicht mehrere Millionen Wörter zusammenkommen.

Wolfgang Klein ist der Direktor des Max-Planck-Instituts für Psycholinguistik und Leiter des „Digitalen Wörterbuchs der Deutschen Sprache“. Er schätzt den deutschen Wortschatz auf etwa fünfeinhalb Millionen Wörter. Diese Zahl scheint mir realistisch zu sein.

Bei Menschen spricht man von deren Wortschatzkenntnis, trennt in aktive und passive Positionen und die Bemessungen gehen bei beiden weit auseinander. Als Faustregel gilt: Je höher der Bildungsstand, desto größer ist der Wortschatz, denn der ist Bedingung für einen differenzierten Informationsaustausch, was wieder Fundament des Bildungsstandes wird. Der Durchschnittsbürger kommt heute in seinem Alltag mit wenigen tausend Wörtern aus.

Ein halbwegs begabter Redner kann heute auf einen aktiven Wortschatz von etwa fünf- bis zehntausend Wörter zurückgreifen. Um anspruchsvollere Texte in besseren Zeitschriften, Zeitungen und den Klassikern zu erfassen, bedarf es eines Wortschatzes von etwa fünftausend Wörtern. Für schlichtere Boulevardzeitungen wie beispielsweise die BILD-Zeitung, reicht ein Wortschatz von etwa fünfhundert Wörtern gemütlich aus, die deutschen Premiumprinterzeugnisse dagegen verlangen einen Wortschatz von etwa fünftausend Wörtern. Vielleicht liegt ein Erfolgsfaktor der BILD in ihrer Lesebequemlichkeit.

Für volksnahes Alltagsgeschwätz reichen inzwischen tatsächlich ganze vierhundert bis maximal achthundert Wörter aus. Zur erfolgreichen Teilnahme an Chats, Messengerdiensten wie Whats-app und Co. reichen gerade einmal 100 bis 200 Wörter. Bei manchen Rappern und Hip-Hoppern wird selbst das angefühlt noch unterkellert. Und dass das auf Dauer kaum genug sein kann, sollte sich auch den weniger Denkbegabten unter uns erschließen.

Wer übrigens in einer fremden Sprache etwa eintausend Einheiten der Alltagssprache beherrscht und diese grammatikalisch wie semantisch richtig anzuwenden weiß, kann sich in dem jeweiligen Land bereits halbwegs sinnvoll verständlich machen.

Das ist doch ein Ansporn.

Nutzt mehr Wörter!

Schützt den Wortschatz!

Motiv: Alexandra @ Unsplash

Bruno SchulzComment