Leckt mich!
Leckt mich am Arsch.
(Es ist 4Uhr45, ich leide an frühsenilen Schlafstörungen und quäle diesen Text mit dicken Fingern ungelenk in mein Smartphone. Das sind die Rahmenbedingungen.)
Was gehen mir die Extremen auf den Wecker: rechts wie links. Beide wollen sie unsere pluralistische Demokratie demontieren. Den Ast absägen, auf dem sie behäbig und gepampert sitzen. Den Raum zerlegen, in dem sie vergleichsweise komfortabel aufgewachsen sind, 80 Jahre ohne Krieg, leben können, der ihnen offenkundig vergeblich Bildung angeboten hat, eine ordentliche medizinische Versorgung, ein Dach über dem Kopf und das Recht, eine eigene Meinung zu haben und die auch noch auszusprechen.
Was machen die Holzköpfe? Sie behaupten tatsächlich coram publico, man dürfe ja gar nichts mehr ungestraft sagen. Und wo statuieren sie das beweisführend? Öffentlich, in den sozialen Medien. Ungestraft. Aha. Als wollten sie eigentlich sagen: „seht her, was für ein Idiot ich bin“.
Meinung zu haben, bedeutet nicht, Meinung widerstandslos durchzusetzen. Rechte wie Linke hassen es, dass es in einer Demokratie das Spannungsfeld kontroverser Haltungen zu ertragen gilt, die im Idealfall in sinnstiftenden Debatten münden, statt exklusiv in Beleidigungen und im stumpfen Absingen der Scheißhausparolen der eigenen politischen Agenda. Es gilt, die Balance zu wahren. In aller Interesse.
In den letzten Tagen ist es mir mehrfach widerfahren, dass mich blaunblöde Schlaubuckel einen Kommunisten gescholten haben. Und ein paar Linksverblendete deklarierten mich als gesichert Rechts, weil ich ihren Judenhass verachte. Und ein paar andere Dinge. Echt jetzt? Aberwitzig. Tunnelsicht und binäre Sortierung in einer Demokratie? Ihr habt es wohl noch immer nicht verstanden? Dabei ist es gar nicht so komplex. Als Faustformel kann gelten: Verhalte dich gegenüber anderen so, wie du es selbst bereit bist auszuhalten. Ganz einfach eigentlich. Im Rahmen des Popperschen Toleranzparadoxons.
Wesentlich an der freien Meinungsäußerung ist, diese tatsächlich frei und öffentlich vorzutragen. Farbe zu bekennen. Offenes Visir. Klarname. Es gibt keinen Anspruch darauf, unter Pseudonym Hass und Hetze auszubreiten, Leute zu diffamieren und zu diskreditieren. Hass und Hetze sind keine schützenswerte Meinung. Egal übrigens, ob rechts oder links.
Heckenschützen wollen sich nicht stellen lassen. Sie verweigern den Diskurs. Ob Influencer mit zigtausend Jüngern, oder verwirrt verhärmter Senior, der unter Bezug von Sozialleistungen untervögelt in seiner Zweiraumplatte verkommt, um unter Fakeprofil in den sozialen Medien großmännisch faschistischen Idealen nachzujagen und dabei großmäulig „dicke Arme“ zu reklamieren. Ahnt der wirklich nicht, dass er sehr früh auf der Strecke bliebe, falls sich seine feuchten Träume, inzwischen zur unkontrollierten Verklappung seiner politischen Notdurft verkommen, tatsächlich durchsetzten?
Ich habe mich gestern abend mit einem guten Freund zum Bier getroffen. Auch der bedauert die starke Verjüngung der tatsächlichen politischen Mitte als einst stabilem Fundament der Demokratie. Er meinte, dass er im Dienste seiner mentalen und seelischen Gesundheit beschlossen habe, seine nur vermeintlich gute Erziehung und alle Etikette über Bord zu werfen, um die üblichen Verdächtigen künftig nicht mehr zu schonen, nur weil sich das vorgeblich so schicke. Scheiß drauf, atme auf:
Wer einen Höcke zum Bestandteil der eigenen Wertekoordinaten macht, wird selbst zum Höcke. Wer auf seinem Parteitag lupenreinen Antisemitismus als vorgebliche Israelkritik verkleidet gelassen durchwinkt, ist ein Judenhasser. Scheiße färbt ab. Links oder Rechts. Wer damit spielt, wird danach stinken.
So wie es dieses Recht auf Meinung gibt, darf man sich auch daran messen lassen. Wer radikal daherschwafelt, darf es aushalten, sich einen Radikalen heissen zu lassen. Scheiße wird nicht zum Schokoladenpudding, nur weil ein zunehmender Haufen demokratiefeindlicher Gesellen das daherhalluzinieren.
Guten Morgen.