Bilder und ihre Geschichte: „Toyboy“

Als die sechsundachtzigjährige Iris Jones vor ein paar Monaten im britischen „Frühstücksfernsehen“ jovial Zeugnis ablegte über ihre angeregte Alterssexualität mit ihrem nicht einmal halb so alten Gatten, stöhnte die ganze Inselnation prüde auf. Allerdings weniger aus anerkennender Erregung, wie bei der andauernden Fertilitätsikone Mick Jagger aus selbiger Alterskohorte, wie bei Leonardo DiCaprio, dem vielversprechendsten Nachwuchssuperstar unter den Sugardaddies, der Frauen jenseits deren 25. Burzeltages nicht mehr ertragen kann, was ihn über kurz oder lang zum Sieger in der Disziplin „Altersrelation“ küren sollte, oder etwa Helmut Kohl, dem „Flavio Briatore von Oggersheim“, die neben dem Faible für junge Dinger auch noch das Verhältnis zu ungeklärten Zuwendungen eint.

Was Jones allerdings doch herausstechen lässt ist, dass sich ihre Prominenz und Anziehungskraft wahrscheinlich in ihrer Staatsbürgerschaft erschöpft und in ihrer Begabung, diese als hypothetisches Wohlstandsversprechen durchzureichen.

Im Gegensatz zu ihren famosen männlichen Pendants, musste sie nicht einmal realen, gegenwärtigen Luxus gewährleisten, Yachten, Sportwagen, Immobilien, ein Sommer auf St. Barth und mit frischem Blattgeld prahlen - die diffuse Aussicht auf eine Verbesserung der Lebensqualität per Beziehungsmigration sollte schon genügen. Das zumindest unterstellt ihr das ihr Publikum, um ihrem orientalischen Romeo gleichsam jede romantische Gerontophilie kaltschnäuzig absprechen zu wollen.

Inzwischen ist die Gute allerdings aus Frust über die Entwicklung der ehelichen Umstände kurz vor ihrem Neunzigsten zur medial verkündeten sexuellen Abstinenz gereift und der Erkenntnis, dass der späte erotische Ausflug auf der Zielgeraden in tausend und eine Nacht vielleicht doch nicht den Schwerpunkt in ihrem curriculum vitae zu setzen vermochte, wie einst so liebestoll wie lustvoll angenommen. Egal. Es sind die lebendigen, privaten Augenblicke die ihr als “Höhepunkte“ erhalten bleiben und nicht die Gedanken daran, was man in 45 Jahren Arbeitsleben hätte alles besser machen können.

Warum ich mich weigere Iris Jones, im Gegensatz zu ihren Landsleuten, wirklich abschätzig zu bewerten? Weil sie als britische Cher und Madonna nur das getan hat, wofür sich myriaden Kerle gerne feiern lassen möchten. Mit dem Unterschied womöglich, dass sie schließlich ihr Fazit gefunden haben mag jenseits aller plakativen Substitution nachlassender Fertilität.

Und dass ihr Sparringpartner Ägypter war und ist, erscheint doch eher als rassistisches Problem ihrer Kritiker. Immerhin war der gute Mohamed nach seinem 40. Geburtstag vor dem Start der wohl nicht dauerhaft glücklichen Liebschaft auch kein willenloser „Toyboy“, als den man ihn abfällig deklarieren will.

Es war wohl ein Deal. Und vielleicht hatte es auch da mit überzeugender Schauspielerei zu tun. Nur eben andersherum. Einen Oscar gab es dafür nicht. Aber immerhin eine „hart“ abgebuckelte Einbürgerung.

Bruno SchulzComment