Je suis Geschichtslehrer!

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Je suis Geschichtslehrer!
(wer hätte das je gedacht)

Versuch einer Ein-Ordnung für mich selbst.

Nicht erst seit der Enthauptung des siebenundvierzigjährigen Geschichtslehrers Samuel P. durch seinen gerade einmal achtzehn Jahre alten tschetschenischen Mörder, wird in den sozialen Medien wieder jede Menge Mist ventiliert.

Wenn man das so erwartbare wie übliche rechte, ausländerfeindliche Gemaule mal außen vorlässt, das zu solchen Anlässen so regelmäßig wie der allmorgendliche Stuhlgang durch die soziale Kanalisation flitzt, versetzt einen der immer schmerzfreier offen vorgetragene Applaus und das unverhohlen ausgebreitete Verständnis für die vorgeblich nur folgerichtige Reaktion des Rübe-runter-Berserkers in würgendes Erstaunen. Dazwischen findet sich Fassungslosigkeit. Oder so idiotische wie empathielose und manierenfreie Relativierungsversuche - was bitte haben Moria und gescheiterte Mittelmeerüberquerungen oder rechtsextreme Anschläge mit der Hinrichtung eines atheistischen Pädagogen zu tun, der seinen begriffsstutzigen Eleven mantraartig den Sinn einer Pressefreiheit in einem laizistischen Staat zu vermitteln bemüht war. Kann da irgendetwas aufgewogen werden? Sicher nicht!

Und außerdem gibt es da noch jede Menge Missverständnisse in den parametrisierenden Begrifflichkeiten. Besonders ärgerlich im Umfeld gerät die maulige Allzweckwaffe, der dauersedierende „Islamophobie“-Vorwurf, der immer gerade dann zum Einsatz kommt, wenn die Debatte auf der Sachebene allzu anstrengend zu geraten droht und man Argumente lieber abwürgt als durchdenkt und retourniert.

Dabei geht die Vokabel „Islamophobie“ selbst und ihre Idee tatsächlich auf den Ayatollah Khomeini und die Situation im Iran im Jahr 1979 zurück. Richtete sich die infame Diskreditierung ursprünglich vornehmlich gegen Frauen, die sich nicht verschleiern wollten, ging es schnell darum, grundsätzlich jeden diffamieren zu können, der nicht der reinen Lehre des Gottesstaats anhing. Die Mechanik ist so erfrischend neu wie der miefige, mittelalterliche römisch-katholische Apostasievorwurf, mit dem sich jede noch so intelligente und sachliche Widerrede abschalten ließ und lässt per Basta. Man sollte wissen und auch wissen wollen, wessen Werkzeugen man sich da bedient. Eine solche Kritikimmunisierung wird jeden einvernehmlichen Ansatz ersticken.

Durch die Unterstellung einer krankhaften Phobie wird der Diskutant in ad-hominem-Rhetorik quasi zum psychisch Erkrankten stigmatisiert, mit dem jede Debatte schnell obsolet würde. Man kannte das aus der UDSSR, in der politische Gegner gerne schnell in psychiatrische Kliniken überwiesen wurden.

Wer tiefer einsteigen mag, recherchiere bei den franzöischen, feministischen Publizistinnen, dem Ehepaar Caroline Fourest und Fiammetta Venner, die sich eingehend mit dem Thema beschäftigten. Benennen wir es doch lieber, als das was bestenfalls gemeint sein könnte: Fremdenfeindlichkeit. Und das ist schlimm genug. Nur kann man darüber eben noch sprechen.

Wobei das in diesem Fall ohnehin alles wie der vorauseilende Gehorsam einer orientierungslosen Gruppe von Moralschaustellern wirkt, die nicht realisieren wollen, dass sich der Pauker den Kopf ja nicht selbst abgesäbelt haben wird, um den armen, traumatisierten islamistischen Knaben aus dem Kaukasus zu diskreditieren. Merkt da eigentlich noch irgendjemand irgendwas?

Und die deutschen Premiuminformationsdienste unterschlagen, was der Vater eines 13jährigen Schülers dem Sender „France Inter“ mitteilte, nämlich dass der Lehrer muslimischen Schülern angeboten habe, den Raum zu verlassen, bevor er die karrikierenden Motive beispielhaft zeigte. Der Lehrer sei weder "herablassend noch respektlos" gewesen. Bei uns schmeckt es da schon fast nach einem „selbst schuld“. Kann das richtig sein?

Auf Dauer werden die rituellen Selbstbeschwörungs- und Beschwichtigungsformeln à la Macron, Steinmeier, Maas und Co. kaum ausreichen, in solchen Herausforderungen dauerhaft zu bestehen. Da bedarf es an pragmatischen Lösungen mit Augenmaß, bevor die Rechten mit ihren Ideen locken.

Der Familie und den Angehörigen mein aufrichtiges Mitgefühl.

Bruno SchulzComment