"Tattoo"

“Ein bunter Rücken kann auch entzücken…”, Stefan Alt ( hier: Kool Tattoo Hamburg.)

“Ein bunter Rücken kann auch entzücken…”, Stefan Alt ( hier: Kool Tattoo Hamburg.)

Soeben sehe ich im Profil meines Facebook-Bekannten Stefan Alt, dass dieser sich wohl vor ein paar Minuten bei Kool Tattoo Hamburg aufhielt und dort in den Old-School-Vorlagen der Tätowiererlegende Christian Warlich blätterte, um sich vorgeblich den Rücken verzieren zu lassen.

Da erinnere ich mich so spontan wie wehmütig an meinen guten alten Jugendfreund Otto, Gott hab ihn selig. Ich scheine mich in so einem merkwürdigen Alter zu befinden, in dem die Einschläge zusehends näher kommen und die Melancholie immer dicker eintropft ins ohnehin empfindliche Gemüt.

Otto also, seine Geschichte ist auch schon fast wieder dreissig Jahre alt, Otto ging Mitte der Achtziger nach seiner Konditorenlehre, statt einfach seiner schlichten Wehrpflicht nachzukommen, lieber gleich zu den Kampfschwimmern nach Eckernförde. Schluß mit Buttercreme, hatte er sich wohl gedacht. Nach 6 Jahren in der Truppe beschied er sein nasskaltes Abenteuer für beendet, musste wohl noch einen draufsetzen und wechselte zur Fremdenlegion. Mit der bereiste er ferne Länder, lernte interessante Menschen kennen und brachte die um: „legio patria nostra“. Für die Legion opferte er sein viel zu kurzes, aber durchaus ereignisreiches Leben auf dem nur vermeintlichen Feld der Ehre. Zumindest stand das auf dem Schreiben, das seine Eltern seinerzeit erhielten, als das kurze Leben schon wieder vorbei war.

Kurz bevor er also von seinem Recht auf Ableben Gebrauch machte, in einer hart durchgesoffenen Nacht mit kreolischen Weibern in Kourou im Überseedépartement Französisch Guyana und nach seinem Wachdienst an der Ariane, hatte er den Punkt zum Verlust der Muttersprache längst passiert, als ein paar treusorgende Kameraden es für eine gute Idee hielten, ihm einen schwulhellblauen Kolibri auf die breite Brust tätowieren zu lassen, der ihm in die Herzgrube pickte. In seinem Schnabel trug der ein Briefchen mit Herz und Röslein und der kurzen Zeile: „alles *otzen ausser Mutti“. Das hielt er lichtbilddokumentarisch fest und sendete es mir mit der Feldpost. Das Foto ist inzwischen ziemlich verblichen, aber ich halte es als augenfällige "Besonderheit" in Ehren.

Wofür das jetzt stehen soll? Keine Ahnung. Vielleicht für den Augenblick. Es relativiert eine Menge. Zeit und Bedeutsamkeit. Vielleicht auch die eigene.

Leider beginne ich, die Dinge zu vergessen. Darum habe ich angefangen, mir zu den interessanteren Impulsen Notizen zu machen. Vielleicht werden ja noch ein paar Short Stories daraus. Selbst wenn die nur für mich selbst und ein paar Freunde durchgehen. Ganz egal.