Wir waren Freunde: Frösche!

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WIR WAREN FREUNDE.
002 | „Frösche“

„Kennst Du die Geschichte von den Fröschen?“ „Was denn für Frösche, Barba?“ Jensen starrt mich fragend an. Ich stelle zwei Keramikschalen auf den Eichentisch. In die eine schütte ich gesalzene Pistazien. Die zweite dient den Schalen. Pistazien sind eine großartige Gesprächsbegleitung, füllen Pausen oder schaffen solche. Sind Ablenkung und manchmal auch ziemlich dienlich in Sachen Konzentration. Gesprächswerkzeug.

„Naja, die Fabel von den Fröschen. Aesop.“ „Nein, kenne ich nicht. Aber Du wirst sie mir sicher gleich erzählen…“ „…nur wenn Du möchtest.“ „Hat sie was mit Eurer eigenen Geschichte zu tun?“ „Ich finde schon.“ „Dann will ich sie hören. Leg los…“ 

Ich stelle mein Glas Wein ab, lege die Hände auf den Tisch, nehme ein paar Pistazien, lehne mich zurück ins Halbdunkel, werfe mir eine in den Mund. „Ok, da waren also zwei waschechte Froschlurche. Grasegrün wie aus dem Bilderbuch. Und die beiden saßen an ihrem Teich. Irgendwo in Griechenland, sechshundert Jahre vor Christus. Der Teich hatte die Bezeichnung allerdings nicht mehr verdient, da er in der Sommerhitze vollkommen ausgetrocknet war.“ „Das hatte schon damals keine Zukunft.“ „Nein, hatte es nicht, darum beschlossen die beiden Freunde, sich eine neue Bleibe zu suchen und hüpften also los.“ 

Ich mache ein paar Froschhüpfgeräusche. Jensen lacht: „Du hast sie nicht alle!“ „Vermutlich. Die Frösche passieren also nach einiger Strecke einen offenen Brunnen, der offenbar noch einiges Wasser hat.“ „Das ist aber eine kurze Geschichte.“ „Hahaha, sehr witzig. Vor allem ohne jede Pointe. Zumindest bisher. Warte ab.“ Jensen greift nach der Schale.

„Die saßen also am Brunnenrand und der eine wollte einfach so und ohne Bedenken hineinspringen. Sein Freund meinte, sie sollten das besser lassen, weil auch hier das Wasser versiegen könnte und sie dann zu allem Übel nicht einmal mehr aus dem Brunnen entkämen.“ „Ok, ich möchte auflösen: es geht also darum nachzudenken, bevor man etwas macht.“ Jensen schaut mich an. „Ja genau.“ „Und Du vergleichst Euch mit den Fröschen?“ „Allerdings, nur haben wir den Brunnen selbst erst gar nicht wahrgenommen. Nur das Wasser. Und wir sind gesprungen ohne darauf zu achten, ob wir da auch heil wieder rauskommen.“ „Und das seid Ihr nicht.“ „Nein, darum sitzen wir heute abend ja hier.“ „Und deshalb sind die Dinge, wie sie sind.“ „Ja. Aesop meinte schon, ‚klugen Leuten ziemte es, zunächst das Ende eines Unternehmens ins Auge zu fassen und es erst dann also ins Werk zu setzen‘. Da hatte er wohl recht.

Ich habe vor einigen Jahren mal etwas von einem Moralphilosophen gelesen, das mir so gut gefallen hat, dass ich es tatsächlich rezitieren kann.“ „Oh“ „Ja oh - der Name hat vielleicht ein bisschen nachgeholfen: ‚Christian Fürchtegott Gellert‘. Sowas kann ich mir merken. Sein Bruder hieß sogar ‚Ehregott‘.“ „Kein Wunder. Und der sagte…“ „…Lebe, wie du, wenn du stirbst, wünschen wirst gelebt zu haben.“ „Das klingt ein bisschen verkompliziert, aber gut.“ „Ja, das finde ich auch. Ich habe das leider nicht immer beherzigt und vielleicht ein bisschen zu spät damit begonnen, es wirklich ernst zu nehmen“. „Euer Brunnen heißt Bangkok?“ „Ja.“ „Wie konnte das passieren?“ „Das ist eine lange Geschichte.“ „Ich habe viel Zeit mitgebracht.“